Der Leiter der Rems-Murr-Kriminalpolizei, Thomas Schöllhammer, weist den Vorwurf schlampigen Ermittlungen beim Winterbacher Brandanschlag zurück.

Waiblingen - Im Landgerichtsprozess um den vermutlich rechtsextremistisch motivierten Brandanschlag von Winterbach ist nebenbei die ermittelnde Polizei in die Schusslinie geraten. Völlig zu unrecht, wie der Waiblinger Kripochef Thomas Schöllhammer meint: Man habe in diesem Verfahren eher deutlich mehr getan, als in vergleichbaren Fällen üblich.

 

Herr Schöllhammer, im Winterbach-Prozess haben die Anwälte die Ermittlungsarbeit der Polizei kritisiert. Haben Sie den Vorfall nicht ernst genug genommen?
Ganz im Gegenteil: wir haben alles möglich gemacht, was in unseren Händen lag, eine Struktur aufgebaut wie bei einem vollendeten Tötungsdelikt. Wir sind personell an unsere Grenzen gegangen und haben alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ausgeschöpft.

Bezieht das Internet, Chats, Facebook & Co. mit ein?
Selbstverständlich. Ich kann Ihnen aus ermittlungstaktischen Gründen jetzt nicht unsere Recherchemethoden offen legen, aber Sie können sicher sein, dass die Polizei im Bereich neue Medien weder blauäugig noch nicht up-to-date ist.

Schlampige Arbeit wurde Ihrem Kollegen im Zeugenstand unterschwellig in puncto verschwundene Hosenbeine vorgeworfen. Einer der Partygäste soll sie in der Tatnacht abgeschnitten haben, angeblich, weil er sie an einem Heizlüfter versengt habe. Die Polizei soll nicht danach gesucht haben.
Natürlich haben wir das gemacht, und das war den Anwälten auch bekannt. Mein Kollege hat die Details der Suche vor Gericht nur nicht noch einmal ausgebreitet, weil dies in den Akten ausführlich erläutert worden ist.

Sie haben sich also nicht auf den Mülleimer beschränkt?
Nein, wir haben versucht, den kompletten Weg der Hosenbeine, die in einem blauen Plastiksack entsorgt wurden, zu verfolgen. Als wir bei dem Müllentsorger in Plüderhausen ankamen, mussten wir allerdings feststellen, dass der entsprechende Container bereits geleert und das Material in einer Wertstoffverwertungsanlage in Remseck geschreddert war.

Kritisiert wird auch das wenig aussagekräftige Brandgutachten und der recht hilflose Auftritt des Gutachters vor Gericht.
Der Gutachter wird uns vom Landeskriminalamt gestellt. Es steht mir deshalb nicht zu, über dessen Schlüsse und Folgerungen zu urteilen.

Der Kreis der Verdächtigen ging weit über die Region Stuttgart hinaus. War es richtig, die Vernehmungsarbeit der jeweiligen Polizeidienststelle zu überlassen?
Das haben wir nicht getan. Wir haben versucht, so viel wie möglich selbst zu machen. Bei mehr als 270 Vernehmungen hat das aber auch seine Grenzen. Zudem mussten wir in manchen Fällen – etwa bei einer Vernehmung im Saarland – unverrichteter Dinge zurückfahren, weil die Beschuldigten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten.

Das Aussageverhalten einiger Zeugen, die unmittelbar nach dem Ereignis noch geredet hatten, ist vor Gericht – vornehm ausgedrückt – zurückhaltend. Ihre Aussagen vor der Polizei sind jetzt juristisch nicht verwertbar. Warum haben Sie nicht gleich eine richterliche Vernehmung angeordnet?
Richterliche Vernehmungen kann die Polizei nicht anordnen. Und die Staatsanwaltschaft kann ein solches Verfahren nur beantragen, wenn die Vernehmungen vorhersehbar prozessentscheidende Informationen betreffen. Derlei essenzielle Aussagen waren nicht zu erwarten. Außerdem wäre bei dem Umfang – wie gesagt, es waren mehr als 270 Vernehmungen – unsere Justiz wohl zusammengebrochen.

Der wohl schwerwiegendste im Raum stehende Vorwurf ist wahrscheinlich der, dass die Polizei auf dem rechten Auge blind sei.
Allerdings, das ist ein Stich ins Herz. Wir haben in diesem Verfahren eher deutlich mehr getan als normalerweise üblich. Und abgesehen von diesem konkreten Fall gibt es wohl kaum eine andere Dienststelle im Land, die dem Thema Rechtsextremismus mit einem derartigen personellen Aufwand begegnet.

Sie hatten die Party von Anfang an im Blick. Dennoch haben Sie die Eskalation nicht verhindert.
Es gibt keine rechtliche Grundlage, ein privates Geburtstagsfest zu verbieten. Dennoch waren wir von Anfang an vor Ort und haben den Teilnehmern klipp und klar deutlich gemacht, dass sie unter Beobachtung stehen und wir bei der kleinsten Straftat einschreiten werden. Die Tat war nicht geplant, dass die Lage eskalieren würde, war nicht vorhersehbar. Wir hätten sie nicht verhindern können.
Die Fragen stellte Frank Rodenhausen.