Die Förster machen deutlich, dass ein Teil der bisher vorherrschenden Arten den Klimawandel nicht überstehen wird Um den Forst zu erhalten, benötigen die Zukunftsbäume Unterstützung von Mensch und Maschine.

Dieser Baum kämpft. Alexandra Radlinger steht unter einer gut 20 Meter hohen Weißtanne. Das Nadelgehölz mit seinem spärlichen Geäst hat schon bessere Zeiten erlebt. Die stellvertretende Leiterin des Forstamtes im Landratsamt stellt dem 120 Jahre alten Baum keine allzu optimistische Prognose: zu warm das Klima, zu gefräßig die Käfer. Der 120 Jahre alte Baum scheint hier keiner großen Zukunft entgegenzublicken. Die gute alte, mittlerweile auch etwas überstrapazierte Zeitenwende macht auch vor dem Böblinger Wald nicht Halt. Gemeinsam mit Revierförster Paul Erbacher war Alexandra Radlinger jetzt mit zwei Dutzend Bürgern unterwegs, um zu zeigen, wie die Waldverantwortlichen den anstehenden Herausforderung begegnen möchten. Denn eines ist klar: Von den knapp dreißig Baumarten, die im Böblinger Forst wurzeln, werden die Zeitenwende nicht alle überleben. Der Klimawandel wird diesen Wald verändern.

 

Ratlose Ruhe unter der Douglasie

Hinter den letzten Wohnhäusern der Panzerkaserne – dort wo die Stadt noch aus Wald besteht – haben die beiden Förster die Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung markiert. Ratlose Ruhe herrscht, als Paul Erbacher die Besucher um einen Riesen schart. Rund 35 Meter über den Köpfen hat der Baum ein grünes Dach gebaut – aus Nadeln, die intensiv duften, aber niemanden auf die Idee bringen, dass es sich um eine Douglasie handelt. „Ein ganz schöner Oschi“, sagt Paul Erbacher – einen, den er gerne weiterhin in seinem Wald zu den Bewohnern zählen würde. Schön anzusehen, gutes Bauholz und bestens geschaffen, um mit den neuen Bedingungen zurechtzukommen, die in Zukunft das Leben im Böblinger Forst bestimmen werden: Der Einwanderer aus den Rocky Mountains zählt zu den Zukunftsbäumen und wird an bestimmten Standorten die Fichte ersetzen, deren Tage wohl gezählt sind.

Die Buche leidet

Wie diese Zukunft genau aussieht, wissen auch Alexandra Radlinger und Paul Erbacher nicht genau. Nur so viel ist klar: Heißere Sommer, geringere Niederschläge und heftigere Stürme werden auch im Böblinger Wald ihre Spuren hinterlassen. Teilweise schon heute. Manchmal, räumt Paul Erbacher ein, sei er den Tränen nahe im Revier unterwegs: „Da lebt nichts mehr“, stellt er häufig fest, wenn er nach oben zu seinen Baumkronen schaut.

Immer öfters ist es die Buche, die Erbacher solche Erlebnisse bereitet. Das Laubgewächs ist einer der Hauptbäume im Böblinger Wald und dort noch immer stark verbreitet. Weil die Buche schnell wächst und damit anderen Waldbewohnern mit ihrem dichten Laubdach das Licht nimmt. Aber die Prognosen sehen nicht gut aus. Zu viel Trockenheit und Wärme machen dem Urbewohner zu schaffen.

Ein schnelles Rettungspaket funktioniert nicht

Kurz mal ein Rettungspaket schnüren? Funktioniert im Forst nicht. „Wir können nicht einfach ein halbes Jahr ausprobieren, welcher Baum passt“, sagt Paul Erbacher, „wir müssen Jahrzehnte vorausschauen.“ Die Forschung, Klimamodelle und auch ein Stück Erfahrung und Hoffnung sind die Bestandteile, aus denen die Rezepte bestehen, mit denen die Waldexperten arbeiten. „Ein Baum wächst halt mindestens hundert Jahre lang“, sagt Alexandra Radlinger. So lange wächst die Ungewissheit mit: Ob eine bisher nicht heimische Art sich mit den anderen Gewächsen verträgt, wie diese mit den Schädlingen, dem Boden und der Umgebung klar kommt – so ganz genau kann das niemand vorhersagen.

Bei dem Baum mit den pinzettenartigen Nadeln an den Ästen ist Alexandra Radlinger jedoch guten Mutes. „Die hält durch“, sagt sie über die Kiefer, die sich in dem Waldstück elegant in die Höhe windet. Die Trockenheit kann dieser Baumart, die hier relativ selten wächst, nicht viel anhaben. Auch die Kiefer wird daher in Zukunft öfter auf Böblinger Markung wachsen. „Diese Art fördern wir“, sagt Alexandra Radlinger.

Einem unscheinbaren Bäumchen gehört die Zukunft

Gern gesehen von den Forstleuten ist auch ein unscheinbares Bäumchen, zu dem sich die Gruppe durch dichtes Holz kämpfen muss. Ahorn? Falsch getippt. Auch wenn die Blätter so aussehen, hat Paul Erbacher die Besucher zu einem der Favoriten künftiger Waldwirtschaft geführt: der Elsbeere. Dem schmächtigen Baum, der sich hier mit seinem dünnen Stamm im Unterholz bewährt, sieht man seine 100 Jahre nicht an. Genauso wenig wie die wichtige Rolle, die er für den Wald der Zukunft besitzt. „Seine Blüten und Früchte sind gut für die Vögel und Bienen“, erzählt Paul Erbacher.

Und noch etwas macht das Gewächs, das als „Schweizer Birnbaum“ auch bei der Holzwirtschaft gefragt ist und schon immer im Böblinger Wald wächst, zu einem Profiteur der kommenden Zeiten: „Die Elsbeere mogelt sich gut unten durch“, weiß Alexandra Radlinger. Ein Mitläufer, dem die Förster zwar Aufmerksamkeit, aber wohl keine allzu große Unterstützung zukommen lassen müssen. Anders sieht das beim deutschen Traditionsgehölz schlechthin aus. Die Eiche ist weitverbreitet im Böblinger Forst und trotzt mit ihren tiefen Wurzeln der Trockenheit. „Die Eiche ist gut gerüstet für den Klimawandel“, befindet Alexandra Radlinger, „wir sind froh, dass wir viele davon haben.“ Allerdings braucht sie Hilfe, wenn sie auch in Zukunft dem Böblinger Wald eine solide Basis bieten soll. Denn der urdeutsche Baum wächst langsam und benötigt viel Licht. Schnell wachsende Konkurrenz verhindert an vielen Stellen, dass dieser Baum auch weiterhin dem Wald bis zu 300 Jahre lang erhalten bleibt und nicht nur für wertvolles Holz sorgt. Die Frucht dient als wichtige Nahrung fürs Wild, und das knorrige Outfit macht die Eiche zu einem unverzichtbaren Hingucker im Wald.

Hier kreischen bald die Kettensägen

Aus diesen Gründen hat Paul Erbacher an einem Weg drei stattlichen Buchen einen roten Ring verpasst. Das Zeichen, dass hier bald die Kettensägen kreischen. Beim Blick nach oben erkennt die Besuchergruppe auch, warum: Rund 15 Meter höher findet ein gnadenloser Kampf um Licht und Platz statt, den eine von den Buchen umringte Eiche verlieren würde. „Wenn wir nicht eingreifen, macht die Buche hier das Rennen“, erklärt Erbacher. Dass es Folgen haben wird, wenn er die Waldarbeiter mit ihren Motorsägen bald wüten lässt, weiß er jetzt schon. „Die Leute werden denken, ‚jetzt spinnt der komplett’“. Anders wird dem Wald nicht zu helfen sein.