Heidelberg punktet immer wieder mit seinen weitläufigen Waldflächen; die Förster wünschen sich noch mehr Verständnis der Nutzer.

Heidelberg - Man wird nie müde, in den dichten Wäldern umherzustöbern, die all diese hohen Neckarberge bis an die Gipfel umkleiden.“ Das hat einst Mark Twain notiert, der bei seiner Europareise 1878 mehr als zwei Monate in Heidelberg Station machte und dabei die Umgebung der Stadt so ausgiebig erkundete wie kaum ein berühmter Tourist vor und nach ihm.

 

Die Anziehungskraft des Waldes rund um die Stadt hat seitdem nicht nachgelassen. „Er ist ideal für Wanderer, Jogger und Mountainbiker“, sagt Peter Hellwig vom Arbeitskreis Sport und Natur im Sportkreis Heidelberg. Wann immer die Universitätsstadt in der Vergangenheit mit Auszeichnungen zum Umweltschutz bedacht wurde oder in einem der vielen Städterankings zur Lebensqualität punktete, hat der Wald eine wichtige Rolle gespielt. In diesem Jahr hat er ihr sogar den Titel „Waldhauptstadt 2018“ der internationalen Zertifizierungsorganisation PEFC eingebracht.

Mit der Auszeichnung hat die Organisation, die ihren deutschen Sitz in Stuttgart hat, nicht nur die ökologische und nachhaltige Waldbewirtschaftung der Stadt und ihrer Forstverwaltung honoriert. Besonders gewürdigt habe die Jury mit der Auszeichnung auch die Angebote zur Erholung im Wald der Kommune und ihr Veranstaltungsprogramm zum Thema, erklärte die Sprecherin der Organisation.

Im Jahr 1876 wurden Mammutbäume gepflanzt

Mit ihrem vielfältigen Mischwaldbestand, zwei historischen Arboreten, einem weitverzweigten Netz von Wegen und Pfaden, Hütten und Rastplätzen dienen die Wälder um Heidelberg gleichermaßen der Holzwirtschaft, der Natur und den Tieren sowie der Erholung der Bürger und Besucher der Stadt. Die ersten Mammutbäume, die – zusammen mit etwa 50 weiteren exotischen Baumarten – bis heute unweit des Königstuhls zu bestaunen sind, wurden 1876 gepflanzt, wenig später wurden Wanderwege angelegt, Bänke und Aussichtstürme errichtet und die bis heute weithin einmaligen Wegweisersteine aufgestellt.

„Damals wurde relativ viel Geld ausgegeben, um den Wald zum Erholungswald zu machen“, erklärt Ernst Baader, der Leiter des Heidelberger Forstamts. „Lange Zeit ist das auch recht einfach gewesen: Der Ertrag des Holzverkaufs war gut. Wenn man eine vernünftige Waldwirtschaft betrieben hat, konnte man davon ausgehen, dass alles andere damit automatisch kommt: neue Biotope und Artenreichtum ebenso wie schöne Wege für die Spaziergänger – an sie haben die Förster immer gedacht.“

Der Wald im Freizeitstress

Ganz so einfach ist es heute nicht mehr. Zum einen wirken noch immer die Stürme Vivian und Wibke nach, die 1990 in einer Nacht Millionen Bäume umgeblasen und die Arbeit von Jahrzehnten zunichte gemacht haben. Zum andern sind die Interessen der Freunde des Waldes vielfältiger geworden. Zu den Spaziergängern und Wanderern sind auch Jogger, Mountainbiker, digitale Schatzsucher, Jäger, Reiter, Kletterer gekommen. „Selbst im letzten Winkel, wo früher keiner hinkam, treffen sie heute auf einmal Leute mit einem Mountain-E-Bike – für sie ist der Wald natürlich ein ideales Revier“, erklärt der Amtsleiter Baader. „Ganz allgemein ist der Druck der verschiedenen Nutzer größer geworden, viele Interessenten fordern ein Mitspracherecht“, ergänzt sein Abteilungsleiter Florian Haensel. „Diesen Ansprüchen wollen wir auch gerecht werden; wir sind da als Ansprechpartner, wir wollen sensibilisieren für den Wald und machen ihn mit vielen Programmen zum Thema“.

15 000 Menschen – groß und klein – nehmen alljährlich an Veranstaltungen des städtischen Umweltbildungsprogramms „Natürlich Heidelberg“, zu dem auch Führungen, Exkursionen und Erlebnistage im Wald gehören, teil. Dennoch, gesteht der Leiter des Forstamts, sei es nicht immer ganz leicht, alle Interessen – von der ökologischen Waldbewirtschaftung, dem Naturschutz, bis zum Erholungs- und Erlebniswald – unter einen Hut zu bringen. „Zu oft sehen viele der Nutzer nur ihren eigenen Teilbereich: „Die Sägewerke wollen günstig einkaufen, die Umweltverbände kämpfen um Biotope, Spaziergänger klagen über gefällte Bäume, Biker und Jogger interessieren nur ihre Strecken – und Jäger betrachten alle anderen als Störung“, sagt er. „Ich würde mir daher wünschen, dass alle erkennen, dass sie mitverantwortlich sind für das Ganze und dass Bewusstsein wächst, dass ein gesunder Wald vor der eigenen Haustür nicht ganz selbstverständlich ist“, meint Ernst Baader. „Das funktioniert bei uns ganz schon ganz gut – aber wir tun dafür auch viel“.

Mehr als eine Holzfabrik

Stadtwald
Mit 4400 Hektar nimmt der Wald fast die Hälfte der Heidelberger Gemarkung ein, 3300 gehören der Stadt selbst, der Rest dem Staat. Vom Ahorn bis zur Zypresse wachsen dort mehr als 40 Baumarten und – in zwei Arboreten – 50 Exoten, vor allem Buche, Fichte und Douglasie. Hoch ist auch der Anteil der Esskastanie. Die Einnahmen aus dem Holzverkauf liegen bei 1,2 bis 1,4 Millionen Euro im Jahr.

Erholung
Der Wald wird durch ein 440 Kilometer langes ist das Wegenetz erschlossen. Es gibt 439 Bänke, 57 Schutz- und Grillhütten, mehrere Themenwege und Routen für Mountainbiker und Freerider. Für deren Unterhalt und die Biotoppflege gibt die Stadt etwa 500 000 Euro jährlich aus.