Auch unter Coronabedingungen geht Sommerfreizeit. Im Ferienwaldheim Feuerbachertal ist alles ein wenig anders und doch sind alle begeistert.

Stuttgart - Zwölf Beine ragen aus sechs Schaukeln, schwingen und rangeln in der Luft um einen großen Gummiball. Ein Bein gewinnt, kickt beherzt, der Ball fliegt durch zwei Pfosten der Sechseckschaukel. Yeah!“, freut sich das schusssichere Mädchen unter Jauchzen der Mitspielenden, aus einem Ghettoblaster schallt Abbas „Dancing Queen“. Verständlich, nennen sich doch die zehn- bis zwölfjährigen Mädels, die da „Schaukelball“ spielen, „Johann & die Dancing Queens“. „Weil er der einzige Junge ist“, lacht Laura, eine der „tanzenden Königinnen“. Sie werden im Waldheim Feuerbachertal von dem 17-jährigen betreut zusammen mit der 15-jährigen Coco.

 

Beide verbrachten einst selbst in der Kindheit je zwei Ferienwochen in dem idyllischen Waldheim, das über das Jahr Montessori–Kindergarten ist. Nun engagieren sie sich ehrenamtlich als Betreuerin und Betreuer. „Es war immer toll. Jetzt macht es noch mehr Spaß“, sagt Johann. „Hier entstehen viele Freundschaften!“ Coco ergänzt: „Wir sind wie eine Familie, man will jedes Jahr her.“

Wegen Corona nur 180 Kinder

Das Ferienwaldheim Feuerbachertal der Evangelischen Kirche Stuttgart beherbergt in nicht-pandemischen Zeiten über 800 Kinder zwischen vier bis 16 Jahren über sechs Sommerwochen. „Im ersten Abschnitt, also den ersten zwei Wochen, hätten wir etwa 300 Kinder “, erläutert Manuel Bauschert, Jugendreferent der Evangelischen Jugend Stuttgart. „Wegen Corona dürfen es nun nur 180 Personen insgesamt sein. Aufgrund der Abstands- und Hygieneregeln haben wir 100 im Waldheim Johannes in Botnang untergebracht.“ Er blickt voraus zum integrativen Abschnitt II, bei dem Kinder mit speziellen Bedürfnissen kommen. „Mit Betreuern – wir kooperieren mit dem Behindertenzentrum in Feuerbach.“

Kohorten dürfen sich nicht mischen

Allen Abschnitten gleich ist, dass Kohorten gebildet werden: 36 Kinder passenden Alters, die sich nicht mischen dürfen. Wer ins Gebäude geht, muss Maske tragen, Händedesinfektion ist selbstverständlich. „Zwei Mal pro Woche werden alle getestet, montags und mittwochs“, erläutert Michael „Michi“ März. Der Messingenieur war einst Waldheim-Kind, hat dort seine Frau kennengelernt, nun seine eigenen Kinder dabei – und ist seit vielen Jahren als Ehrenamtlicher für die Koordination der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer zuständig. „Wir suchen immer Interessenten“, wirbt er.

Von den Freiwilligen sind viele doppelt geimpft. „Sehr viele haben bisher eine Impfung“, erklärt Jens Ayasse, stellvertretender Leiter der Abteilung Jugend und Soziales bei der Evangelischen Kirche. „Es war keine Pflicht, aber wir haben in den Pfingstferien Termine für unsere Freiwilligen in Impfzentren blocken können. In alle unsere Waldheime kommen im Jahr rund 1400 Ehrenamtliche.“ Corona habe 2020 alle vor Herausforderungen gestellt. „In diesem Jahr sind Regeln und Hygienekonzept fast Routine.“

Die Kinder „machen es top“

Das bestätigt auch Michi März. „Die Kinder kennen das auch von Schulen und Kitas. Sie machen es top, sind vorbildlicher als manche Erwachsene.“ Toll seien auch die jugendlichen Ehrenamtlichen – in der Regel zwischen 16 bis 20 Jahre, mitunter Ältere aus allen Bereichen Schule, Studium bis Beruf. Trotz oft langer Tage, wirft Bauschert ein. „Die Waldheimzeit für Kinder ist von Montag bis Freitag von 8.30 bis 18 Uhr mit Frühstück, Mittagessen und Abendbrot, Gruppenaktivitäten, Freispiel, Mittagsruhe, Singen und mehr. Wir bereiten ab 7.30 Uhr vor, gehen abends später.“ März nickt. Die Freiwilligen, die geschult werden, brächten viel Kreativität ein. „Sie übernehmen für ihre Gruppe Verantwortung, können mit den Kids Ideen umsetzen.“ Das coronabedingte Abstimmen per Zoom zuvor sei nicht so schön wie das live Planen vor Ort gewesen. „Manches entsteht aus der Praxis oder in Improvisation.“

Wie etwa das Abklatschspiel, das Laura und Carla mit ihm vorführen: Durchzählen, Handflächen aneinander, dazwischen unter die Knie und hinter dem Rücken. „Ein Fehler – man ist raus“, lacht März. „Der Ehrgeiz ist groß, die Betreuer zu schlagen.“ Der Renner bei den Kleineren sei „Faules Ei“, in allen Altersstufen beliebt sei „Werwolf“, ein Spiel mit Karten und Rollen, bei dem Blickkontakt zählt. Auch Singen oder sportliche Wettbewerbe gingen immer. Bei den Waldheim-„Cups“ spielen die „Dancing Queens“ denn auch ganz vorne mit – etwa gegen die „Hyperbear Boys“.

Gemeinschaftserlebnisse besonders wichtig

Nachdem Corona die Kinder so lange eingeschränkt habe, seien diese Gemeinschaftserlebnisse jenseits des Alltags, die auch soziale Kompetenz schulten, besonders wichtig, sagt März. „Spaß ohne Ende“, sind sich Carla, Tildi, Laura und die anderen kleinen Königinnen einig. „Die Maske ist manchmal doof“, räumt Laura ein. „Und dass wir nicht mit anderen Gruppen spielen dürfen.“ Tilda betont, man sei ja mit Freundinnen zusammen. Und Carla erklärt: „Nur mir Regeln kann Waldheim stattfinden – also lieber so Waldheim als keines.“