Kinder und Betreuer des Waldheims in Stuttgart-Riedenberg wurden aus dem Naturschutzgebiet Eichenhain ausgesperrt. Sie dürfen nur noch auf vier ausgewiesenen Flächen spielen und entspannen. Doch diese Flächen sind laut den Mitarbeitern völlig ungeeignet.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Riedenberg - Eigentlich wollten es die Mitarbeiter des Riedenberger Ferienwaldheims nicht eskalieren lassen. Sie hatten sich bewusst vorgenommen, erst einmal abzuwarten, welche Flächen das Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) ihnen zuweist und ob sich ein Kompromiss findet. Doch als sie zwei Tage vor Beginn der ersten Waldheimwoche die Flächen dann tatsächlich sahen, platzte ihnen der Kragen: Dornen, Scherben und mit Brombeertrieben überwucherte Flächen fanden sie vor. „Wir waren nicht nur gefrustet, sondern auch überrascht“, sagt Philipp Müller, einer der Waldheimleiter. „Die Rede war immer von einem Kompromiss gewesen. Aber gerade fühlt es sich nicht so an, als wären wir mit dem RP auf Augenhöhe.“

 

Zur Erinnerung: Das städtische Amt für Umweltschutz wollte den Teilnehmern des Ferienwaldheims in diesem Jahr erstmals untersagen, im direkt benachbarten Eichenhain zu spielen und dort ihre Mittagspause auf Decken zu verbringen. Beim Eichenhain handelt es sich um ein Naturschutzgebiet, daher sind grundsätzlich Handlungen verboten, die zu einer „Beschädigung, Beeinträchtigung oder nachhaltigen Störung“ führen können.

Der Eichenhain gehört schon immer dazu

Weil der Eichenhain aber schon immer fester Bestandteil der Ferienfreizeiten ist, hatte die Kirchengemeinde beim RP einen Antrag auf Befreiung von der neuen Regel gestellt. Schlussendlich kam ein Mittelweg heraus: Die Kinder und Betreuer dürfen sich für weitere drei Jahre an festgelegten Orten im Eichenhain aufhalten, jedoch längst nicht mehr überall.

Die Betroffenen sind über diese Regelung alles andere als glücklich. Das liegt vor allem an der Qualität der Flächen, die ihnen zugewiesen worden sind: Drei der vier Flächen sind zwar nahe am Waldheim gelegen, verfügen aber über keinen guten Untergrund, um dort zu spielen oder gar Picknickdecken auszubreiten. Gras gibt es kaum, der Boden ist stachelig, teils liegt Häckselgut herum. „Die Kinder haben sogar gesagt, dass sie lieber auf dem Kiesweg als auf der Wiese liegen wollen, weil da keine Dornen sind“, sagt die Betreuerin Dorothea Kerst.

Ein Kind hat einen Joint gefunden

Zwar hat die Stadt mittlerweile nachjustiert und die Wiesen mähen sowie Dornen und Scherben entfernen lassen – tauglich sind die Flächen jedoch immer noch nicht, sagen die Mitarbeiter. „Auf einer Fläche steht eine Bank, wo abends regelmäßig getrunken wird. Morgens stehen da immer Flaschen herum. Und kürzlich hat ein Kind sogar einen Joint gefunden“, sagt der Betreuer André Schiel. Eine Fläche ist außerdem stark abschüssig, eine andere sehr nahe am Spazierweg gelegen, wo viele Hunde unterwegs sind. Schattenplätze gibt es kaum. Und die vierte Fläche am Ilse-Beate-Jäkel-Weg ist mehrere Hundert Meter vom Waldheim entfernt. Die Kirchengemeinde hat dort auf eigene Kosten eine mobile Toilette aufstellen müssen.

„Es beschweren sich wirklich alle Kinder über die neue Situation“, sagt die Betreuerin Lara Avolio. Einige Kinder hätten sogar einen Schlachtruf entworfen: „Wir wollen in den Eichenhain – aber das verbietet uns ein Schwein.“ Für die Kinder sei besonders schwierig nachvollziehbar, dass sie auf ihrem Hin- und Heimweg theoretisch überall im Eichenhain hindürften, während des Waldheims aber nicht, sagt Dorothea Kerst. „Und wir können es den Kindern nicht gut erklären, weil wir selbst keine guten Argumente dafür haben.“

Trotzdem probieren sich die Mitarbeiter an die neue Regelung zu halten. „Alles, was wir tun, müssen wir zigfach überdenken. Wir können jederzeit ganz rausgeschmissen werden. Wir sitzen schlicht am kürzeren Hebel“, sagt Isabel Hetterich, eine der Waldheimleiterinnen.