Wladimir Klitschko (links) trifft am Samstag in Düsseldorf auf Jean-Marc Mormeck. Der Weltmeister ist dem Franzosen körperlich deutlich überlegen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Düsseldorf - Die Analysten des größten deutschen Anbieters für Sportwetten haben ihren Job gründlich erledigt. Anlässlich des Boxduells zwischen Wladimir Klitschko und dem Franzosen Jean-Marc Mormeck morgen (22.45 Uhr/RTL) vor 50 000 Fans im Düsseldorfer Fußballstadion, welches offiziell das schmeichelhafte Etikett „WM-Kampf im Schwergewicht“ trägt, zahlen die Buchmacher bei einem Einsatz von 100 Euro im Falle eines Sieges von Klitschko lediglich 101 Euro aus. Sollte derweil Mormeck siegen, wechseln stolze 1500 Euro den Besitzer.

 

Anschaulicher als mit den Gewinnquoten könnte man die Relationen im Ring kaum verdeutlichen, denn beide Boxer bilden eine sportliche Zweiklassengesellschaft. Schon häufiger ist „Dr. Steelhammer“ Klitschko, der Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF, mit Faustkämpfern ins Seilgeviert geklettert, die ihm nicht das Wasser reichen konnten. Doch dieser Jean-Marc Mormeck, geboren in Pointe-à-Pitre im französischen Übersee-Département Guadeloupe, ist so etwas wie der König der Außenseiter. Gegen den Faustkämpfer, der sich als Jugendlicher in der Banlieue von Paris durchschlug, will der Dreifachweltmeister sein Knockout-Jubiläum zelebrieren, den 50. vorzeitigen Sieg im 60. Profikampf.

Doch innerhalb der Boxbranche, in der die Anzahl der Neider angesichts des Erfolges der Klitschko-Brüder stetig wächst, schüttelt man nur den Kopf. „Sportlich verstehe ich nicht, wie Mormeck überhaupt Herausforderer werden konnte. Der kommt ja mit den Fäusten gar nicht an Wladimir ran“, sagt etwa der Ex-Boxer Luan Krasniqi, der sich seine Unabhängigkeit bewahren will, obwohl er als TV-Experte des Klitschko-Haussenders RTL fungiert. Und Krasniqi hat Recht: Jean-Marc Mormeck ist mit 1,81 Meter Körpergröße 19 Zentimeter kleiner als der Zweimetermann Klitschko – und hat 2011 überhaupt keinen Kampf bestritten. In der unabhängigen Rangliste rangiert er gar nur auf der Position 35.

Marco Huck beklagt die Auswahl des Gegners

„Mit welchem Recht darf so einer in einem WM-Kampf antreten?“, fragt sich etwa der Schwergewichtsdebütant Marco Huck, der in der Vorwoche in Stuttgart dem Russen Alexander Powetkin einen großen Kampf geboten hat und so im Anschluss an das – rein sportlich betrachtet – hochklassige Duell Vitali Klitschko gegen Dereck Chisora vor 14 Tagen dafür sorgte, dass die marode Königsklasse des Boxsports ein Zwischenhoch erleben durfte.

Der Kampf gegen den bereits 39-jährigen Mormeck, der im Dezember 2010 letztmals im Ring stand, passt da nicht in den Trend. Denn dem Franzosen, der 2007 in der siebten Runde von David Haye ausgeknockt wurde, fehlt es neben der Größe auch am Gewicht: Als Ex-Weltmeister im Cruisergewicht kämpfte Mormeck, der kurz vor dem Klitschko-Kampf den Trainer wechselte und dessen boxerische Grundausbildung auf lediglich 15 Amateurkämpfen basiert, jahrelang im Limit bis 91 Kilogramm.

Kein Wunder also, dass die findigen PR-Manager im Umfeld des Veranstalters, der Klitschko Management Group (KMG) dem physisch stark unterlegenen Jean-Marc Mormeck schnell noch ein Mike-Tyson-Image überstülpen wollten. Schließlich ist auch Tyson, der Ohrbeißer aus Brooklyn und jüngste Schwergewichts-Weltmeister aller Zeiten, dunkelhäutig, kahlköpfig und nur 1,80 Meter groß. Doch der Franzose spielte da nicht mit: „Mike Tyson war für mich der Größte“, sagte der Herausforderer: „Ich bin bloß Jean-Marc Mormeck.“

VIP-Räume in Turnhallengröße

Unklar ist allerdings, ob es die breite Masse überhaupt interessiert, welches Format die Gegner der Klitschkos besitzen? Längst sind die Kämpfe der Brüder festliche Events mit Veronica Ferres, Carsten Maschmeyer und Co. am Ring und mit opulenten VIP-Bereichen in Turnhallengröße. Die Fights der Kolosse aus Kiew werden in 150 Länder rund um den Globus übertragen, während das Unternehmen „KlitschK.o.“ hierzulande jüngst die Fußball-Nationalelf ausstach: Während beim Auftritt der DFB-Auswahl gegen Frankreich elf Millionen TV-Fans zuschauten, sahen 12,5 Millionen den Kampf von Vitali Klitschko gegen Dereck Chisora.

Trotz aller Überlegenheit wird der jüngere Klitschko gut vorbereitet vor sein weltweites Publikum treten. Zu tief haben sich die Erlebnisse vom 8. März 2003 in sein Gedächtnis eingebrannt. Damals kletterte ein gewisser Corrie Sanders aus Pretoria, ein 37 Jahre alter Polizist mit Bauchansatz, als krasser Außenseiter in den Ring – und knockte den großen Champion Wladimir Klitschko in der zweiten Runde aus.