Der Wald muss in Zukunft einiges aushalten. Das ist die Quintessenz eines Waldrundgangs in Leinfelden-Echterdingen am Wochenende. Ein Experte erklärte Stadträten und Bürgern, worauf man sich in hiesigen Gefilden einzustellen hat.

Musberg - Buchen geht es offenbar so wie Menschen, die auf Sonnencreme verzichten. Am Waldrand unweit der Tennisplätze des TSV Musberg stehen einige ziemlich ausgedörrte Bäume. Sie wirken, als wäre just an jener Stelle saurer Regen ohne Unterlass gefallen. Doch mit Luftverschmutzung habe der traurige Anblick wenig zu tun, meint Armin Tomm, Leiter des Sachgebiets Reviere West bei der Unteren Forstbehörde im Landkreis Esslingen.

 

Er macht den Klimawandel für das krankhafte Aussehen der Buchen verantwortlich. 1999 fegte der Orkan Lothar Fichten hinweg, die den Buchen an dieser Stelle als Sonnenschutz dienten. In den vergangenen Jahrzehnten nahm nun sowohl die Anzahl der heißen Tage als auch der Sonnenstunden aufgrund der Erderwärmung zu. „Die Folgen sind auch nicht anders als beim Menschen. Der Baum kriegt einen ziemlich heftigen Sonnenbrand.“

Tomm stellt Prognosen vor

Eva Noller, Erste Bürgermeisterin von Leinfelden-Echterdingen, hört den Schilderungen des Forstdirektors aufmerksam zu. „Ich finde es schon erstaunlich, dass wir jetzt schon die Folgen des Klimawandels bei einem Waldspaziergang erkennen können“, meint sie. Auch viele Mitglieder des Gemeinderats sowie Bürger wollten die Gelegenheit nutzen, von einem Fachmann gezeigt zu bekommen, wie sich der zunehmende Wärmestress auf den Wald auswirkt. Für Manfred Lieb, zuständiger Sachbearbeiter Wald bei der Stadtverwaltung von Leinfelden-Echterdingen, ist der rege Andrang beim turnusgemäß alle zwei Jahre organisierten Waldumgang kein Zufall. „Wir haben thematisch offenbar viele Leute dieses Mal angesprochen“, sagt er. Lieb verweist auf die Nachrichten der vergangenen Monate von den Hurrikankatastrophen in den USA bis zu Donald Trumps Rückzugsplänen aus dem Pariser Klimaabkommen. Obwohl auch Wissenschaftler noch nicht sagen können, wie sich dieser Schritt auf die Klimamodelle auswirkt, gibt Forstdirektor Tomm den Teilnehmern des Waldrundgangs einen Einblick in die Prognosen für die Region und ihre Wälder.

In Süddeutschland sei von einer Erwärmung um zwei Grad im weiteren Verlauf des Jahrhunderts auszugehen, erklärt Tomm. Ausgerechnet jene Baumart, an denen er auf dem Rundgang die Schäden durch Sonnenstrahlen demonstriert, erklärt er zu den Gewinnern der Entwicklung: Buchen seien aufgrund ihrer genetischen Diversität widerstandsfähiger als andere Baumarten. Sie würden sich vermehrt im süddeutschen Wald durchsetzen. Allerdings ist die Prognose zeitlich begrenzt auf die kommenden 20 Jahre. Ob der Buchenbestand in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts die Temperaturentwicklung weiterhin schadlos hinnimmt, sei noch nicht ausgemacht, sagt Tomm. Sicher sei dagegen, dass die Wälder trockener werden und die Waldbrandgefahr steige.

Dem Wald helfen könne da eine stärkere Durchforstung, meint Tomm. „Wir brauchen mehr vitale Bäume“, sagt er. Anders ausgedrückt, muss der Wald in Zukunft einiges aushalten.