Zum Internationalen Pflegetag hat es in Stuttgart und anderen Städten Kundgebungen von Pflegenden gegeben. Auf dem Schlossplatz veranstaltete der Walk of Care eine Mahnwache

Stuttgart - Sie ist nicht zu übersehen. Fröhlich flattert die aufgeblasene Puppe im blauen Pflegerinnen-Outfit mit Stethoskop um den Hals im Wind. Dabei ist das Thema, für das sie da steht, alles andere als fröhlich. Zum Internationalen Tag der Pflegenden hat Walk of Care Stuttgart auf dem Schlossplatz eine Mahnwache von 6 Uhr an veranstaltet. Walk of Care ist eine bundesweite Bewegung von Pflegenden: An diesem 12. Mai veranstalten sie in ganz Deutschland Aktionen, beispielsweise in Berlin, Aachen, Bremen, Hamburg, Halle, Dresden, aber auch in der Schweiz, beispielsweise in Basel, Zürich, Luzern, Zug.

 

Wall of Shame kontra Wall of Pride

In Stuttgart stellten die Teilnehmenden eine „Wall of Shame“ hinter einem puppenbestückten Krankenhausbett, die zu denken gab. Waren doch dort allerlei Vorurteile, gegenüber dem Berufsstand angepinnt. Um eine schwarz-weiße Adaption von Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ herum war da neben „Kaffee, trinken, rauchen“ oder „Kann Jeder“ auch Heftiges zu lesen, etwa „diplomierte Fütliputzer“, „Erbschleicher“ oder „Ist für Dumme, die sonst nichts können“. Gut dass es daneben auch eine „Wall of Pride“ gab, die den Beruf beschrieben mit Wörtern wie „Begegnung“, „Liebe und Trost spenden“ „Pflege als Kulturaufgabe“ oder „Ressourcenorientierung“.

Deswegen mache man es ja, betonte Johannes Lechner, Pfleger am Marienhospital. „Es ist Berufung, wir tun Dienst an der Gesellschaft.“ Umso trauriger sei es, dass allein im vergangenen Krisenjahr mehr als 9000 Pflegerinnen und Pfleger ihren Beruf aufgegeben haben – eben wegen der Missstände. „Die gab es schon vor Corona, aber durch die Pandemie hat sich das Ganze zugespitzt“ sagte Lechner. Coronabonus? In seiner Rede musste er da kurz bitter lachen. Schließlich seien alle in den Kliniken belastet. Wegen des Fachkräftemangels würden Kolleginnen und Kollegen an Stellen versetzt werden, wo sie zuvor nie gearbeitet hätten, damit andere, wie er, in der Corona-Station und in der Intensivstation um Leben kämpfen könnten. „Wir stehen seit über einem Jahr an allen Ebenen in vorderster Front im Kampf gegen das Virus, weiterhin mit zu wenig Personal, ohne Mitspracherecht, zu wenig Gehalt. Wer macht sonst schon zwölf Wochen Wechselschichten am Stück? Viele sind vor dem Burnout!“, kritisierte der Pfleger. Seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter schwenkten dazu Schilder, auf denen unter anderem „Gemeinsam stark für die Pflege“, „Überlastet, unterbezahlt Pflege am Limit“ und „Profite pflegen keine Menschen“ stand.

Forderung nach guter Ausbildung

Zu den Forderungen von Walk of Care gehören außer der gerechten Finanzierung des Gesundheitssystems und der Pflege sowie mehr politischer Mitbestimmung für alle Gesundheitsberufe und Patienten auch eine gesetzliche Personalbemessung, die sich am Pflegebedarf orientiert. Außerdem eine Fort- und Weiterbildungsordnung und eine gute Ausbildung.

Dass der Nachwuchs schon in den ersten Ausbildungsjahren davonläuft, machte eine angehende Pflegerin am Eckensee vor dem Schauspielhaus deutlich, wo sich Verdi mit dem Bündnis Solidarität und Klassenkampf und anderen zum Tag der Pflegenden versammelt hatte. „Wir wurden eingesetzt, wo Not am Mann und der Frau war, haben keine Anleitung, mussten uns wegen mangelnder Digitalisierung selbst Lehrstoff draufschaffen. Von den 30 Auszubildenden, die mit mir anfingen, sind noch 15 übrig.“ Während allerdings die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor dem Schauspielhaus gegen eine Pflegekammer als „Zwangsinstrument“ wetterten – sie steht im neuen Koalitionsvertrag –, war man auf dem Schlossplatz dafür. „Wir brauchen jemanden, der für uns geschlossen eintritt, faire Bezahlung und Rahmenbedingungen aushandelt“, so Lechner. Die Passanten indes fanden so oder so die Aktion der Pflegenden gut, schrieben immer wieder ins ausgelegte Gästebuch. „Einer der wichtigsten Berufe, die die Gesellschaft braucht“, konstatiert eine Frau und ergänzt: „Jeder von uns braucht mal Pflege. Insbesondere wenn wir alt sind.“