Seit dem Jahr 2007 ist Walter de'Silva Designchef aller acht Pkw-Marken des VW-Konzerns.

Stuttgart - Elegante Autos aus Wolfsburg, von Volkswagen? Vor einigen Jahren wäre das mit einem mitleidigen Lächeln quittiert worden. Heute ist das anders. Der Grund dafür trägt dunkelblaue Anzüge, ist am Comer See geboren und heißt Walter Maria de'Silva. Der Autodesigner bringt VW, Audi, Skoda und Seat italienischen Chic bei. Seit 2007 ist er Leiter des Konzerndesigns.

Herr de'Silva, mit 21 Jahren heuerten Sie im Fiat-Designzentrum in Turin an. Was haben Sie vorher gemacht?

Ich habe eine technische Fachhochschule besucht und danach zwei Jahre lang Architektur studiert.

Und dann haben Sie beschlossen, Autos zu entwerfen?

Ich habe zu meinem Vater gesagt, ich möchte gerne Autodesigner werden. Aber der hatte nicht das Geld, mich an eine renommierte Hochschule wie etwa das Royal College of Art in London zu schicken. Also nahm ich meine Skizzen und Zeichnungen und bewarb mich direkt bei Fiat. Dort ergatterte ich ein kleines Stipendium, das mir den Eintritt in den Konzern ermöglichte.

So etwas ist in der heutigen Zeit doch gar nicht mehr möglich.

Warum soll so etwas heute ausgeschlossen sein? Ich sage ja nicht, dass es einfach ist. Sie brauchen Talent, inneren Antrieb und viel Ausdauer. Sehen Sie, ich zeichne ständig, und ich zeichne eigentlich, solange ich denken kann. Man muss es lieben und quasi ständig tun, wie das Atmen. Und man muss einen starken Charakter haben, denn insgesamt sind die Enttäuschungen, die ein Autodesigner erleidet, doch ungleich zahlreicher als die Erfolge.

Inwiefern?

Ein Autodesigner macht Tausende von Entwürfen, ein Großteil davon landet im Mülleimer. Das muss er akzeptieren.

Wie viele Skizzen haben Sie bisher gezeichnet?

Unmöglich, eine Zahl zu nennen. Die Skizzen dienen der Ideenfindung, nicht jede muss zu einem Modell werden. Zeichnen ist für mich wie eine Reise, bei der der Weg genauso wichtig ist wie das Ziel.

Welche Entwürfe lieben Sie besonders?

Es sind meist die Modelle, die den Geist der Marke in einer neuen Form konsequent verdeutlichen - zum Beispiel bei Audi der A5 oder der A7, bei Volkswagen der Polo und der up!.

Woran erkennen Sie Talent? Mit ein paar Scribbles ist es ja nicht getan.

Tja, je älter man wird, desto klarer zeigt sich, ob man Talent hatte oder nicht (lacht). Künstlerisches Talent ist ja nicht alles. Ein Autodesigner muss seine Ideen und Vorstellungen auch in schwierigen Situationen vermitteln und verteidigen können. Er darf sich nicht einschüchtern lassen. Zugleich muss er in der Lage sein, Probleme mit seinen Kollegen gemeinsam anzugehen und zu lösen.

Konflikte sind an der Tagesordnung?

Nicht jede Meinungsverschiedenheit ist gleich ein Konflikt. Aber wenn ein Autoprojekt stockt, ist das Design oft in einer zentralen Position zwischen Marketing, Controllern und Entwicklern. Dann sind Stärke und Fingerspitzengefühl gefragt, um auch unter Druck visionär und vermittelnd zugleich zu agieren.

Wenn Sie die Unterlagen von Bewerbern studieren, worauf achten Sie?

Für mich ist das erste Vorstellungsgespräch entscheidend, und dann achte ich genau auf die vorhin skizzierten Kriterien: Wie gut und eigenständig sind die DesignIdeen? Wie ausgeprägt ist das kreative Talent? Wie gut kann der Bewerber reden, argumentieren, diskutieren, überzeugen?

Hat sich das Berufsbild des Autodesigners in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt?

Sehr sogar! Vor 20 Jahren hat man in dem Zeitraum, in dem man heute 20 Entwürfe macht und diskutiert, ein Auto entworfen. Die Automobilwelt ist viel komplexer geworden, es gibt viel mehr Autosegmente und Formen. Die Konkurrenz ist größer geworden. Insgesamt ist der Rhythmus deutlich schneller als früher. Die Designer im VW-Konzern arbeiten gegenwärtig parallel an 130 verschiedenen Modellen.

Wie viel muss man in Ihrem Job von Betriebswirtschaftslehre, Materialwissenschaften und Autotechnik verstehen?

Genug, um mit den jeweiligen Fachleuten konstruktiv zusammenarbeiten zu können. Unerlässlich bleibt aber das Vertrauen in die Kompetenz der anderen Fachdisziplinen.

Von welchen Universitäten kommen die besten Autodesigner?


Design lebt von Kreativität, Vielseitigkeit und Wettbewerb. Das gilt für die Talente wie auch für die Ausbildungswege. Aus gutem Grund pflegen wir von Volkswagen einen engen Kontakt zu vielen unterschiedlichen Hochschulen.

Warum gibt es so wenige Frauen im Kreativbereich des VW-Konzerns?

Wir wünschen uns mehr weiblichen Nachwuchs, gerade im klassischen Automobildesign. Nur gibt es immer noch zu wenige Absolventinnen im Transportation Design. In den Bereichen Grafik, Produktdesign, Textildesign und Modellbau sind wir schon sehr gut aufgestellt, da ist das Verhältnis teils sogar ausgeglichen.

Ist Autodesigner ein Beruf mit guten Zukunftschancen?

Unbedingt ja! Aber man darf nicht vergessen, dass es eben nicht nur um Kreativität geht. Der Erfolg eines Designers stellt sich auch nicht von heute auf morgen ein. Man muss lange kontinuierlich gute Arbeit abliefern. Ich habe viele junge Leute gesehen, die wirklich Talent hatten. Langen Atem und auch eine gewisse Härte gegen sich selbst bringen leider die wenigsten auf.

Keine Eleganz ohne Disziplin?

So ist es, si.