Wie wird aus einem Ausbrecherkönig ein Polizist? Walter Hansen hat die unglaubliche Geschichte des Sûreté-Gründers François Vidocq aufgeschrieben. Das Jugendbuch „Der Detektiv von Paris“ liest sich auch für Erwachsene sehr spannend, findet unser Killer-&-Co.-Kritiker Hans Jörg Wangner.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Ein verurteilter Sträfling, der erfolgreicher Polizeigründer wird, ja der nachhaltig die gesamte Kriminalistik revolutioniert: kein Romanautor könnte sich so etwas ausdenken. So eine hanebüchene Geschichte schreibt in echt – nur das Leben. Denn tatsächlich hat die Biografie des 1775 in Arras geborenen Eugène François Vidocq etwas Fantastisches, Unglaubliches.

 

In ärmlichen Verhältnissen als Bäckersohn aufgewachsen, zeigte sich schon früh, dass er etwas Besonderes war: wissbegierig, hoch intelligent, durchsetzungsfähig – bei anständiger Förderung seiner Talente hätte sehr schnell Großes aus ihm werden können.

Am Rande des Abgrunds

Doch die familiären und gesellschaftlichen Umstände waren nicht danach, wie Walter Hansen in seinem auf Tatsachen basierenden Jugendroman „Der Detektiv von Paris“ aufzeigt: das Frankreich der Vorrevolution war tief gespalten, die königliche Misswirtschaft hatte das Volk an den Rand des Abgrunds geführt. Hunger, Elend und Kriminalität beherrschten das Leben der einfachen Menschen, derweil der Adel in Saus und Braus lebte – der richtige Nährboden für die französische Revolution mit all ihren bekannten Erscheinungen.

Für Vidocq brachte das Erwachsenwerden trotz all seiner Begabungen nichts Gutes: von einem falschen Freund dazu überredet, den eigenen Vater zu bestehlen – der Bäckermeister hatte auf auch nicht eben korrekten Wegen eine Menge Geld gehortet –, muss er fliehen und kommt nicht mehr von der schiefen Bahn herunter.

Selbstbewusster Brief an den Polizeichef

Immer wieder wird Vidocq aufgegriffen und ins Gefängnis gesteckt. 25 Mal gelingt ihm die Flucht, in der Unterwelt Frankreichs ist er ein Mythos. Doch weil er nach einer haltlosen Denunziation zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt wird, befürchtet er zurecht, die Härten dieser Strafe nicht zu überleben. In seiner Not schreibt er einen sehr selbstbewussten Brief an den Polizeipräsidenten von Paris. Er, Vidocq, sei der einzige, der aufgrund seiner Kenntnisse und seines analytischen Verstandes in der Lage sei, die erbärmliche Erfolgsquote der Polizei steil nach oben zu führen.

In seiner Not willigt der Polizeichef ein, nachdem er sich von seinem Minister Joseph Fouché – bekanntlich einer der übelsten Figuren der jüngeren Geschichte – grünes Licht hat geben lassen. Und tatsächlich: mit der von ihm gegründeten Sûreté (sie heißt auch heute noch so) begründet Vidocq nichts weniger als die moderne Kriminalistik und das Detektivwesen.

François Vidocq war eng mit Schriftstellerin wie Honoré de Balzac, Victor Hugo und Alexandre Dumas befreundet, die seine Figur damals schon literarisch verarbeiteten. Der Münchener Journalist Walter Hansen hat daraus ein Buch für ab Zwölfjährige gemacht, in dem er die unglaubliche Geschichte seines Helden aufzeigt – und zwar so schnörkellos und spannend, dass auch Erwachsene ihren Lesegenuss dran haben. Was will man mehr?

Walter Hansen: Der Detektiv von Paris. Das abenteuerliche Leben des François Vidocq, 288 Seiten, Ueberreuter, 14,95 Euro, ab 12 Jahren