Ein letztes Mal darf Walter Sittler in „Der Kommissar und das Meer“ in Schweden ermitteln. Doch das ZDF plant bereits eine neue Krimireihe mit Kommissar Anders, für die der Stuttgarter Sittler nicht mehr so weit reisen muss.

Stuttgart - Eine etwas dicker vergoldete Uhr? Einen Hometrainer? Oder doch bloß ein Netflix-Jahresabo? Was soll man einem verdienten Kriminalbeamten bloß zum Abschied schenken? Die Kollegen des Ermittlers Robert Anders, der seinen Schreibtisch bei der Polizei im schwedischen Kleinstädtchen Visby bald räumen wird, müssen sich darüber plötzlich keine Gedanken mehr machen. Mit heranrückendem Dienstende gerät der von Walter Sittler gespielte Anders in „Woher wir kommen, wohin wir gehen“, dem 29. und abschließenden Fall der ZDF-Krimireihe „Der Kommissar und das Meer“, nämlich selbst unter Mordverdacht.

 

Mann über Bord

Erst will der wie viele TV-Kommissare durch extremen Eigensinn profilierte Anders auch diesen Fall im Alleingang lösen, komplett an seiner bereits in der Einarbeitungsphase befindlichen Nachfolgerin vorbei. Die extreme Befangenheitsproblematik – das Opfer ist seine Ex-Frau, mit der er in der Nacht ihrer Ermordung eigentlich verabredet war – stört ihn dabei gar nicht, er weiß ja schließlich, dass er nicht der Täter war. Würde „Woher wir kommen, wohin wir gehen“ das als Fall extremer Hybris thematisieren, wäre das zwar kein nettes Abschiedsgeschenk für Anders, aber es könne den vertrauten Kommissar ganz neu und spannend ins Zwielicht setzen. Aber die von Thomas Roth geschriebene und inszenierte Folge nimmt das allenfalls als leichte Exzentrik hin, ja, scheint das eher als lobenswerte Zielstrebigkeit eines Ausnahmepolizisten zu sehen. Anders und sein Umfeld wirkten schon mal glaubwürdiger.

Immerhin, der Regeln verletzende Polizist wird suspendiert und schließlich zum Objekt einer veritablen Fahndung. Der rentenreife Cop muss einmal sogar auf der Flucht vor seinen Kollegen von einer Fähre springen und nachts durch eiskaltes Wasser schwimmen. Die Motivationsprediger der modernen Arbeitswelt würden sagen: Lebenslange Anpassungsfähigkeit an dramatisch veränderte Arbeitsumstände ist gefragt.

Der Realismusfaktor dieser letzten Ermittlung auf der Insel Gotland ist also insgesamt nicht all zu hoch, aber das erwartet ja auch keiner. Solche Reihen schauen die meisten Fans, weil sie sich mit den Ermittlern wohl fühlen, mit der Fähigkeit der Cops, einer kaputten Welt nicht nur Stand zu halten, sondern im Kleinen immer wieder ein bisschen Ordnung zu schaffen. Robert Anders kommt wie so viele moderne Polizisten aus dem Mäntelchen von Georges Simenons Pariser Kommissar Maigret, der als unermüdlicher Menschenkenner und -erforscher nicht nur daran interessiert war, einen Täter zu finden, sondern zu begreifen, was wie warum geschehen ist, was zu einer Katastrophe geführt hat und was dies nun für alle Beteiligten bedeutet.

Den Finger auf die Wunde

Anders’ Naturell wird dessen forscher Nachfolgerin von einem Kollegen des Kommissars in Form einer kleinen Heiligsprechung denn auch so beschrieben: „Robert geht auf die Menschen zu. Er spürt, wenn etwas nicht stimmt, oder er sucht danach. Meistens legt er dann sehr schnell den Finger auf die Wunde.“ Das darf er beweisen, während er als Gejagter versucht, den Fall und dessen sich wietende Komplikationen zu klären. Für einen Krimi, in dem Empathie eine wichtige Rolle spielt, hat die Folge „Woher wir kommen, wohin wir gehen“ allerdings viel unterkühlte Reaktionen zu bieten. Über weite Strecken klappert die Geschichte sich eher mühselig durch Telefonate und Gespräche, die hier etwas über Menschen behaupten und da etwas zurücknehmen, statt uns Wesen und Handlungen überzeugend zu zeigen.

Allerdings ist dies auch nicht der allerletzte, nun ein wenig säuerliche Eindruck von Robert Anders. Dem ZDF sind zwar die Dreharbeiten in Schweden zu teuer geworden. Aber der deutschstämmige Polizist darf als Rentner nach Süddeutschland an den Bodensee wechseln. Künftig tritt Walter Sittler als Robert Anders schlicht in einer Folgereihe auf, und die heißt, kein Witz, „Der Kommissar und der See“.

Bevor man dem Unruheständler Anders und dem 69-jährigen Walter Sittler nun Uneinsicht in Altersschwächen vorwirft, sollte man sich die rüstige Miss Marple vor Augen führen. Agatha Christies Krimiheldin ist noch in ihren Siebzigern dem Verbrechen erfolgreich gegenüber getreten. Und war vorher nicht mal Polizistin.

Der Kommissar und das Meer. ZDF, Samstag, 20.15 Uhr. Bereits in der Mediathek.