Wer will, kann am Stuttgarter Konzert von Wanda viel Schlimmes finden: schmierige Posen, leberkäsmampfende Besucher und sogar einen Heiratsantrag. Nur: wer empfindet so viel Menschenhass?

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der steile Aufstieg der Wiener Band Wanda lässt sich auch an ihren Stuttgarter Konzerten ablesen: im Februar waren die Musiker als Vorband von Kraftklub unterwegs, im Frühjahr spielten sie in der Manufaktur Schorndorf – und das dritte Konzert des Jahres am Sonntag im immerhin sechsmal so großen LKA war ausverkauft. Dazwischen lag ein Sommer voll gefeierter Festivalauftritte. Der Titel des ersten Albums, „Amore“, entwickelte sich zum geflügelten Wort.

 

Inmitten dieses von der „Zeit“ mit „Bussi Riot“ überschriebenen Hypes finden Spötter leicht Aufmerksamkeit. Wolfgang Zechner formulierte im „Rolling Stone“ die bisher beißendste Kritik: „Böse Menschen haben viele Lieder und füllen damit ganze Platten. Und diese tragen dann bescheuerte Namen wie ‚Bussi’“, schrieb er im Oktober zum neuen Wanda-Album. In drei Jahren würden alle ihre Amore-Seligkeit peinlich finden, so die Prognose.

Zechner hat Recht: Misanthropen wie ihm bieten Wanda-Konzerte reichlich Anlass, Verachtung zu empfinden. Das fängt bei den schmierigen Posen des Sängers Marco Michael Wanda an. Es setzt sich in den hundertfach mitgesungenen, ach was, mitgegrölten Einfachst-Songzeilen fort: „Ans, zwa, drei, vier – es ist so schön bei dir“. Der Höhepunkt ist der Heiratsantrag, den ein gewisser Ingo seiner Herzensdame macht, natürlich erfolgreich und von Band wie Publikum lauthals bejubelt. Was Wolfgang Zechner zu der Dame mit Leberkäswecken gesagt hätte, die sich noch bei laufendem Konzert durch die Reihen schiebt? Oder zu den seligen Menschen, die noch auf dem Nachhauseweg in der Bahn Wanda-Lieder singen?

Musik fürs Herz

Allen, die sich da jetzt wiederfinden und denen Wolfgang Zechner nicht eh wurscht ist, sei gesagt: Schämt euch nicht, jetzt nicht und in zwanzig Jahren nicht! Wanda präsentieren sich im LKA als gereiftes Ganzes. Die nicht mehr lederbejackte Frontfigur steht zwar als vordergründig schnapsseliger, letztlich hochprofessioneller und trotzdem euphorisierter Einheizer in der Mitte. Musikalisch ist das aber aus einem Guss. Im LKA wachsen sich Bierzeltlieder wie „1, 2, 3, 4“ zum Boogie-Progrock-Jazzmutanten aus. Die Band zeigt wohldosiert, dass sie mehr drauf hat als Mitgrölhymnen – die aber eben auch, und zwar mit Schmäh, was bei diesem wie etlichen anderen Wanda-Konzerten hierzulande irgendwann auch den steifsten Besucher enthemmt. In ihrer Heimat Österreich, wo man mit dem Schlagerhaften eh weniger Probleme hat, wird die Band übrigens auch gefeiert.

Diese Band macht Musik fürs Herz. Und zwar so überzeugend, dass sich jeder schämen sollte, der an so viel positiver Energie irgendetwas Schlechtes finden will.