Der Verein zur Rettung der Wandbilder auf dem Schoch-Areal hat mehrere Tübinger Restauratoren damit beauftragt, die Gemälde in dem abrissbereiten Firmengebäude abzulösen und andernorts wieder anzubringen.

Feuerbach - Wolfgang Gärtners Kopfbedeckung erinnert ein wenig an den Hut von Joseph Beuys. Ansonsten trägt der Restaurator die typische Arbeitskluft, die auch Stukateure anhaben: Auf seinem nicht mehr ganz blütenweißen Overall sind an verschiedenen Stellen die Spuren seiner heutigen Tätigkeit erkennbar. Beide Hände stecken in schwarzen Strickhandschuhen, allerdings liegen die Finger frei. Sein Metier ist die Kunst des Konservierens und Bewahrens.

 

Gärtner hat mit der Leiterin der Aktion, der promovierten Kunsthistorikerin und Restauratorin Julia Feldtkeller und mit Karl Petzold eine aufwendige Aufgabe in der ehemaligen Kantine der Firma Schoch zu erledigen. Die drei Experten aus Tübingen haben den Auftrag bekommen, die auf die Wand gemalten Ölbilder so zu fixieren und zu sichern, dass sie abgenommen und später andernorts wieder angebracht werden können.

Gemisch aus Melasse, Knochenleim, Essig und Ochsengalle

Das in Italien entwickelte Verfahren ist sehr aufwendig. Als Kleber wird „Colletta“ verwendet. Ein Rezeptur-Gemisch aus Melasse, Knochenleim, Essig und Ochsengalle. Es wird erhitzt und auf einen mullartigen Stoff aus Gaze und Stoffwindeln aufgetragen. Mit der Sicherungsschicht lässt sich auch ein fünfeinhalb Meter breites und anderthalb Meter hohes Öl-Wandgemälde in der Schoch-Kantine ablösen, lagern und wieder zusammenfügen.

„Normalerweise versucht man Wandmalereien in ihrem ursprünglichen Kontext zu erhalten“, sagt Professor Roland Lenz. Er ist Leiter des Studiengangs Konservierung und Restaurierung von Wandmalerei an der Stuttgarter Kunstakademie. Mit Studenten prüfte er im Vorfeld, ob in diesem Fall eine Abnahme der Bilder überhaupt in Frage kommt. Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Die Arbeitsgruppe kam in Feuerbach zu dem Ergebnis: Es ist machbar. Doch der Initiative zur Rettung der Wandbilder drohte die Zeit wegzulaufen. Anfang 2015 werden laut städtischer Planung auf dem ehemaligen Schoch-Gelände die großen Abrissbagger anrollen und diese sind beauftragt, Tabula rasa auf dem gesamten Gelände zu machen. Kein Haus bleibt stehen, alles wird abgerissen und neu bebaut.

Mit dem Abriss endet ein Stück Industriegeschichte

Damit endet wieder ein Kapitel der Feuerbacher Industriegeschichte. Mehr als 1000 Beschäftigte arbeiteten zeitweise im Drei-Schicht-Betrieb in den großen Fabrikhallen an der Dornbirner Straße. Automobilfirmen wie VW oder Daimler ließen viele Jahre ihre Kühler, Stoßstangen und andere Teile ihrer Fahrzeuge in dem Werk verchromen. Auch der Motorradhersteller Horex gehörte zu den Kunden.

Die Brüder Emil und Georg Schoch hatten die Firma 1925 als so genannte Galvanisierungsanstalt gegründet. Das Unternehmen war früher einmal eines der führenden Metallveredelungswerke in ganz Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute Emil Schoch – sein Bruder wurde bei einem Fliegerangriff getötet – die von Fliegerbomben zerstörten Gescho-Werke wieder auf und erweiterte sie. Am 2. Juli 1949 wurde in der damals nagelneuen Schoch-Kantine ein großes Eröffnungsfest gefeiert. „Die Wandbilder in der Kantine der ehemaligen Schoch-Fabrik sind ein Zeugnis der unmittelbaren Nachkriegszeit Feuerbachs“, findet Elke Thieme, die Vorsitzende des Anfang des Jahres konstituierten Vereins zur Rettung der Wandbilder.

Vereinsmitglieder wollen Wandbilder retten

Das Ziel der Mitglieder ist, die Wandbilder vor dem Abrissbagger zu retten und sie an einem anderen Ort einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf dem kleineren Gemälde ist die Feuerbacher Wette am Mühlwasen (Ecke heutige Mühl-/Dieterlestraße) zu sehen. Die Wette war früher ein Feuerlöschteich. Er wurde auch als Viehtränke benutzt. Auf dem anderen Gemälde ist eine Pferdekutsche zu erkennen. Auf dem Kutschbock sitzt ein Mann mit Postillion-Hütchen, der ins Horn bläst. Ihm zu Füßen im Tal liegt das historische Feuerbach mit der alten Stadtkirche. „Beide Bilder vermitteln einen Eindruck von Feuerbach in der vorindustriellen Zeit“, sagt Roland Saur von der Initiative.

Die Werke waren im Jahr 1949 von dem Maler Hans Bechstein an die Wände der Firmenkantine angebracht worden, genauso wie zwei Sinnsprüche. Der Verein hat bereits mehrere tausend Euro an Spenden gesammelt, doch es werden weitere Sponsoren gesucht. Erste Ideen, wo die Bilder in Zukunft einen passenden Platz finden könnten, gibt es bereits. „Wir sind mit Rolf Zielfleisch, dem Vorsitzenden des Vereins Schutzbauten, aber auch mit dem IW8 Stuttgart an der Siemensstraße in Kontakt“, sagt Saur. Die Geschäftsführer des ehemaligen Behr Werks 8 haben in Aussicht gestellt, Wandbilder im neuen Kreativzentrum anzubringen.