Viviane Böpple vor ihrem Meisterstück – eine Hommage an die Sportart American Football. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Viviane Böpple hat studiert und als Buchhalterin gearbeitet, bevor sie neu startete. Die angehende Betriebsmanagerin fühlt sich angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt bestärkt.
Wenn es etwas anders gelaufen wäre im Leben von Viviane Böpple würde sie jetzt wohl immer noch als Buchhalterin die Finanzbücher eines Unternehmens führen und sich ausgiebig mit Zahlungseingängen und Ausgängen befassen. Stattdessen steht die 34-jährige Ditzingerin strahlend vor ihrem eindrucksvollen Meisterstück, eine Hommage an ihre Lieblingssportart American Football. In der Schule für Farbe für Gestaltung sind aktuell alle Meisterstücke der angehenden Betriebsmanager im Handwerk und der angehenden Gestalter ausgestellt.
Wer mit Viviane Böpple spricht, merkt schnell: Diese Frau ist mit sich im Reinen. Dabei ist sie über Umwege zu ihrem jetzigen Traumberuf gekommen. Zwar habe sie schon nach dem Abitur überlegt, eine Maler- und Lackiererausbildung zu machen und damit in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Doch dann folgte sie doch dem Rat ihrer Eltern: „Studier mal lieber“, hatten die ihr empfohlen.
„Solche Arbeitsplätze sind zukunftssicher“, sagt der Schulleiter
Erst das Abitur, dann ein Studium, das ist es, was die meisten Mütter und Väter sich für ihren Nachwuchs wünschen. Eine fatale Entwicklung, wie der Geschäftsführende Schulleiter der beruflichen Schulen in Stuttgart, Felix Winkler, meint. „Ich sehe das als einen Betrug an den jungen Menschen“, sagt er. Schließlich könne man in der heutigen Zeit, in der die künstliche Intelligenz ganze Jobs überflüssig macht und sich die Wirtschaft rapide verändere, „immer weniger sicher sein, dass man mit einem Studium einen sicheren Arbeitsplatz bekommt“. Er glaubt, dass eine Ausbildung und eine Weiterbildung für viele junge Menschen die bessere Wahl sind und wird entsprechend nicht müde, für diesen Weg zu werben. Schließlich gebe es im Handwerk nur wenige Tätigkeiten, die man durch eine KI ersetzen könne. „Solche Arbeitsplätze sind zukunftssicher“, betont Winkler.
Ein weiteres Meisterstück. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski
Auch Viviane Böpple ist froh, sich neu orientiert zu haben. „Ich muss keine Angst vor der KI haben“, sagt sie. Nach dem Abitur war sie zunächst nach Pforzheim an die Fachhochschule gegangen, hatte dort „Einkauf und Logistik“ belegt, um anschließend in der Industrie in der Buchhaltung zu arbeiten. Dort überkamen sie die Zweifel: „Will ich das wirklich den Rest meines Lebens machen?“ Es zog sie woanders hin – auf die Baustelle.
Als sie ihren Eltern wieder mit dem Wunsch kam, Malerin zu werden, hätten sich diese gefreut. Denn das bedeutete auch: Die Zukunft des 100 Jahre alten Familienbetriebs in Ditzingen wäre gesichert. Nicht, weil sie ihre Tochter dazu gedrängt hätten, sondern weil diese es wirklich wollte. Mit etwa 30 Jahren startete Viviane Böpple mit der verkürzten eineinhalb Jahre langen Ausbildung. „Und es war klar, der Meister gehört dazu“, sagt die heute 34-Jährige. Statt für die einjährige Meisterschule entschied sie sich für die zweijährige Fachschule zur Betriebsmanagerin im Handwerk, in die die Meisterprüfung mit integriert ist. In der Fachschule lernt man alles, um selbst einen Handwerksbetrieb führen zu können. „Ich bin froh, dass ich das gemacht habe, ich fühle mich super vorbereitet für die Übernahme“, sagt Viviane Böpple.
Angesichts der Umwälzungen in Wirtschaft und Arbeitsmarkt fühlt sie sich bestärkt von ihrer Entscheidung, den Beruf gewechselt zu haben. Maler würden schließlich immer gebraucht, sie suchten immer Mitarbeiter. Was sie freut: inzwischen entschieden sich immer mehr Frauen für diesen Beruf, der körperlich nicht zu fordernd sei. Sie hätten zum Beispiel aktuell eine Gesellin und eine Auszubildende. Allerdings sei es generell schwieriger geworden, Auszubildende zu finden, die ihre Ausbildung wirklich durchziehen und die danach – wie sie selbst – noch weitermachen.
Am Abend weiß sie, was sie geschafft hat
Tatsächlich sinkt sowohl die Zahl der Auszubildenden im Handwerk, als auch der Schülerinnen und Schüler in der Weiterbildung . Offenbar streben immer weniger junge Menschen an, selbst einen Betrieb zu führen. Viviane Böpple findet das schade. Ihre Augen blitzen regelrecht auf, wenn sie vom Alltag im Betrieb erzählt. „Es ist so ein toller Beruf, man sieht jeden Tag etwas anderes.“ Sie liebt es, so viel draußen zu sein, im Team zu arbeiten, einen derart vielfältigen Beruf zu haben. „Man ist selten auf zwei gleichen Baustellen“, sagt sie. Neben dem Wandstreichen gehe es um Gestaltungstechnik, Wandtechnik, Trockenbau und Wärmedämmung. „Und der Umgang mit den Kunden ist einfach schön“, findet sie. Wenn sie abends nach Hause komme, wisse sie immer, was sie geschafft habe.
Fachschulen unter Druck
Weiterbildung Eine Fachschule richtet sich an Berufstätige mit abgeschlossener Berufsausbildung, es gibt ein- und zweijährige Fachschulen. Aktuell besuchen in Stuttgart rund 1400 Schülerinnen und Schüler eine Fachschule – das seien deutlich weniger als früher, so der Geschäftsführende Schulleiter, Felix Winkler. Ein Drittel der Klassen seien gefährdet. Weil es Fachschulen für viele Berufe oft nur an einem Standort bundesweit gibt, ist das Einzugsgebiet groß. Teils kommen die Schüler sogar aus Hamburg nach Stuttgart an die Fachschule, um hier ihre Weiterbildung zu machen.