Auf der einen Seite herrscht großer Fachkräftemangel, auf der anderen wächst die Zahl der Arbeitslosen. Ist da kein Ausgleich möglich? Weiterbildung ist ein wichtiger Schlüssel, um die beiden Phänomene zusammenzubringen. Aber auch die Qualifizierungsangebote müssen sich verändern und mit der Zeit gehen. Das wurde bei einer Veranstaltung der Agentur für Arbeit für die Landkreise Esslingen und Göppingen mit Bildungsträgern aus der Region deutlich. Sie tauschten sich dabei über ihre Erfahrungen und über die neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes aus.
Das verarbeitende Gewerbe steht derzeit besonders unter Druck
Die Wirtschaft befindet sich mitten in der Transformation, die Lage ist schwierig. „Es wird viele Menschen geben, die – vielleicht überraschend – arbeitslos werden“, prognostizierte Karin Käppel, die Leiterin der Arbeitsagentur. „Die Berufe verändern sich, manche fallen weg, neue entstehen.“ Der Arbeitsamtsbezirk ist davon besonders stark betroffen, denn hier ist traditionell viel verarbeitendes Gewerbe angesiedelt. Während sein Anteil an der Wirtschaft bundesweit bei gut 19 Prozent liegt, sind es in der Region fast 29 Prozent. Gerade dieser Sektor ist aber besonders von der Krise und vom Wegfall von Arbeitsplätzen betroffen.
Im Gesundheits- und Sozialwesen wächst dagegen der Bedarf an Arbeitsplätzen. Aber einfach aufrechnen lässt sich das nicht, den Schichtarbeiter aus der Autofertigung zieht es zum Arbeiten nicht unbedingt ins Pflegeheim. Man müsse „geeignete Zielberufe für gefährdete Berufsfelder“ suchen und anbieten, sagte Regina Paulitz, stellvertretende Leiterin der Agentur für Arbeit. Bei der Fort- und Weiterbildung sind aber auch Menschen im Blick, die an ihrem Arbeitsplatz neue Anforderungen zu meistern haben: Das betreffe in der Transformation alle, von der Führungskraft bis zu den Ungelernten.
Wie sehen die „Future Skills“, also die Fertigkeiten, die in Zukunft von Beschäftigten erwartet werden, aus? Die Agentur Q, eine gemeinsame Einrichtung der Gewerkschaft IG Metall Baden Württemberg und des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, hat dazu eine Studie verfasst. Sie bezieht sich speziell auf die Metall- und Elektrobranche, ist aber teilweise sicherlich übertragbar. Bei den Top 10 der „Skills“ stehen Kenntnisse zur IT-Systemsicherheit und zur Künstlichen Intelligenz ganz oben, gefolgt von den Themen „emissionsfreie Produktion“ und Resilienz, also der Fähigkeit, sich auf Neues einzustellen und mit Veränderung umzugehen. Unter den zukünftig besonders gefragten Kompetenzen sind auch Kenntnisse im Daten-Management, in IT-Infrastruktur oder Projektmanagement, zählte Ipek Güler auf, die für die Agentur Q die Ergebnisse vorstellte.
Die Bildungsträger sind gefordert, passende Bildungsangebote für die gefragten Fertigkeiten zu entwerfen. Sie stehen aber auch vor anderen Herausforderungen, wie beim Austausch deutlich wurde: Manchmal fehle den Klienten die Motivation, sich weiterzubilden, manchmal sei auch eine Erwartungshaltung oder eine „gewisse Gemütlichkeit“ festzustellen. Selbst Weiterbildungen direkt am Arbeitsplatz, in der Firma, würden teils nicht wahrgenommen, wenn dafür ein paar zusätzliche Stunden zu investieren seien. Ipek Güler versuchte, eine andere Perspektive auf dieses Problem aufzuzeigen: Oft stehe hinter der vermeintlichen Bequemlichkeit oder Verweigerung einfach die Angst vor Veränderung, die etwas ganz und gar Menschliches sei. „Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese Angst zu nehmen“, sagte sie.
Weiterbildungen müssen weit über das rein Fachliche hinausgehen
Folglich sind in Weiterbildungen auch Bausteine gefragt, die weit übers Fachliche hinausgehen. Man müsse heute deutlich mehr unterstützen und helfen als früher, sagt Ursula Neef, die eine Pflegefachschule in Kirchheim leitet. Deren Träger ist die Deutsche Angestellten-Akademie, die in Esslingen und Nürtingen auch pädagogische Kurse – etwa zum Erzieher oder zur Erzieherin – anbietet. Egal in welchem Feld, man versuche, maßgeschneiderte Angebote zu machen, etwa für Menschen, die sich aus familiären oder finanziellen Gründen nicht in Vollzeit weiterbilden können. „Wir machen alles teilzeitfähig“, so Neef. „Unser Ziel ist es, Bildungsketten in unterschiedlichem Tempo herzustellen.“ Ebenso würden zum Beispiel Hilfen beim Spracherwerb für Ausländer oder beim Erwerb digitaler oder interkultureller Kompetenzen angeboten.
Die Wirtschaft verändert sich
Fachkräftemangel
Laut dem aktuellen Fachkräftereport der Deutschen Industrie- und Handelskammer konnten 43 Prozent der Betriebe offene Stellen nicht besetzen, weil sie keine passenden Arbeitskräfte fanden. Groß ist der Mangel etwa im Handwerk und im Gesundheits- und Sozialbereich.
Arbeitslosigkeit
Gleichzeitig führt die Wirtschaftskrise zu vielen Entlassungen, vor allem im verarbeitenden Gewerbe. Besonders betroffen sind die Automobilindustrie mit ihren Zulieferern. Im Bezirk der Agentur für Arbeit Göppingen ist die Zahl der im verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten in den vergangenen sieben Jahren um rund 10 000 gesunken.
Weiterbildung
Sowohl Beschäftigte als auch Unternehmen können sich in Sachen Weiterbildung bei der Agentur für Arbeit beraten lassen. Einen Einstieg findet man im Internet, für Arbeitssuchende oder Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf www.arbeitsagentur.de/karriere-und-weiterbildung/beruflich-weiterbilden und für Unternehmen auf www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/foerderung-von-weiterbildung.