Johannesburg - „Wenn ein Affe kommt, nicht lächeln, keine Zähne zeigen, nicht in die Augen schauen.“ So beginnt der Wanderführer sein Briefing für den Leopardentrail durch den Blyde River Canyon. Affen? Leoparden? Hannes de Vries nickt. Ja, beides gibt es hier, wobei die Chance, die großen Katzen zu sehen, nahe null liegt. Affenbegegnungen dagegen kommen öfter vor und enden auch mal unangenehm, weil ein freundliches Grinsen und ein offener Blickkontakt in der Paviansprache eine Kampfansage sind.
Aus der Ferne wirkt die Gebirgskette, die sich im Osten Südafrikas über 1000 Kilometer von Nord nach Süd zieht, ziemlich kompakt. Die rundlichen Berge, die sich hinter dem Grasland aufbäumen, sind teils grün bewaldet, teils guckt nackter Fels heraus. Von nahem präsentieren sich die Drachenberge vielschichtig, aufgetürmt aus ziegelartigen Brocken. Tief in diese surreale Felslandschaft hat sich der Blyde River hineingefressen und eine monumentale Schlucht gestaltet.
In 800 Meter Tiefe glitzert der Blyde River
Der Ausblick an „Three Rondavals“, dem Startpunkt der Wanderung, ist spektakulär. Felsendome, die an die Rundhütten der lokalen Stämme erinnern, beherrschen die Kulisse. Glitzernd im Sonnenlicht schlängelt sich 800 Meter tiefer der Blyde River durch die gigantischen Sandsteingebilde. Er ist heute das Ziel. Steil führt der Leopardentrail bergab über Steine und Wurzelwerk und durch dorniges Gestrüpp.
Irgendwann ist der tiefste Punkt erreicht und hier wartet wieder ein Höhepunkt, ein Garten Eden: Kleine Wasserfälle perlen in von der Natur gemauerte Becken mit glasklarem Wasser, umrahmt von langstieligem Schilf. Wo sich das Gebüsch lichtet, blickt man staunend auf die Wände der Schlucht. Sie wachsen senkrecht in den Himmel und manche bilden Kuppeln, die Sakralbauten ähneln.
Perfekt zur filmreifen Kulisse passt die Geschichte, die dem Blyde River seinen Namen „Fluss der Freude“ gab: „In dieser Gegend landeten die Voortrecker auf der Suche nach einem Durchbruch durch die Drakensberge zum portugiesischen Hafen Maputo“, erzählt de Vries. „Weil der Weg durchs Gebirge immer gefährlicher wurde, beschlossen sie, Frauen und Kinder zurückzulassen. Sie sagten: Wenn wir in zwei Monaten nicht wieder da sind, sind wir tot. Dann geht zurück, sucht andere Voortrecker und schließt euch ihnen an. Als sie nicht zurückkamen, weinten die Frauen und zogen weiter. Am nächsten Fluss rasteten sie. Hier holten die Totgeglaubten sie ein und die Freude war groß am Blyde River.“
In der Thurgela-Schlucht erfüllen sich die Träume müder Wanderer
Einige Hundert Kilometer südlich, im Royal-Natal-Nationalpark, erfüllen sich die Träume müder Wanderer: Die erste Tour hat wenige Kilometer und viel Badezeit. Im Schutz der monumentalen Türme, die die Thurgela-Schlucht einrahmen, wandert man langsam bergauf, begleitet vom fröhlichen Plätschern eines Baches. Dann umarmt und umrundet man noch einen bauchigen Felsen – und steht im Naturfreibad des nahen Dorfes Amazizi: Kaskaden fallen über rund geschmirgelte Kanten und zu Murmeln geschliffene Steine. Kühles Wasser, sonnenwarme Steine und Schatten spendende Überhänge laden zum Verweilen und eine Gruppe einheimischer Ladys zum Plausch über Gott und die Welt.
Ein Badeplatz wartet auch am Ende der Thurgela-Schlucht, dem nächsten Wanderziel. Der Weg dorthin freilich ist weit und steinig. Von fern dringt Affengeschrei herüber. Es geht durch grüne schattige Tunnel und über ausgesetzte, sonnenverbrannte Graspfade. In den Feuchtgebieten beherrschen moosüberwucherte Felsen und meterlange Wurzeln die Szenerie, die Bäume tragen Flechtenkleidchen. Die Luft vibriert vom Zirpen von Millionen Grillen.
Die Oberkante des Amphitheaters scheint Welten entfernt
Dann zeigt sich das sogenannte Amphitheater in seiner ganzen Pracht: 500 Meter hohe Türme reihen sich wie ein Vorzeige-Gebiss aneinander und bilden ein Halbrund von fünf Kilometer Durchmesser. Es wirkt schroff und steil und abweisend. „Millionen Jahre lagerte sich hier Sand ab und verklumpte zu Stein“, erzählt Bergführerin Zee Ndaba. Sie ist die einzige Zulufrau in diesem Metier und musste um Anerkennung kämpfen. Doch die ganze Frau strahlt aus, dass sie genau hier genau richtig ist: in ihren Bergen, deren gewaltige Schönheit sie den Gästen zeigen darf.
Der Badestopp bei einem Wasserfall am Ende der Schlucht reicht diesmal nur zum Füßekühlen, denn noch warten ein langer Rückweg und zudem am nächsten Tag die Krönung der Tour. „Dort stehen wir morgen“, verspricht Zee und deutet auf die Oberkante des Amphitheaters. Dass diese nicht nur gefühlt Welten entfernt ist, stellt sich bald heraus.
Schroffe Wände in Ocker, Braun und Schwarz erwarten die Wandergruppe, die sich tapfer auf Serpentinen entlang der Bergflanke Höhenmeter erkämpft. Dann plötzlich ein Stau. Ein Blick nach oben verrät, warum dieses Hindernis manchen Aspiranten unbezwingbar scheint: Nur lose hängende Kettenleitern erschließen die fast senkrechten Felsen und bei jedem Tritt in die nächste Stahlsprosse wackeln und schwingen sie wie Kuhschwänze. Zee beweist Motivationskünste und redet auch die Zitternden und Zaudernden schrittweise hinauf.
Begegnung mit Hirtenjungen aus Lesotho
Dann ist der Rücken des Drachens erklommen und man sieht seinen Fuß. Eigentlich heißt der See tief unten Fikapazo, doch wegen seiner Form nennt ihn der Volksmund Drachenfuß und führt ihn gerne als Beweis für die Existenz der Feuerspucker in den Drakensbergen an. Das windzerzauste Plateau trägt einen bunten Teppich aus Kräutern, Wildblumen und Gräsern. Das mögen auch die Schützlinge der Hirtenbuben aus dem angrenzenden Hochlandstaat Lesotho, die im Sommer mit Schafen, Kühen und Ziegen durch die Berge ziehen und Touristen um Süßigkeiten anschnorren.
Endlich hat die Gruppe den Rand erreicht und schaut schauernd hinab in die Thurgela-Schlucht. Wie klitzeklein der Mensch in dieser Landschaft wirkt. Beim Abstieg vom Dach der Drakensberge zieht aus dem Tal Nebel herauf und weiße Schwaden hüllen die Welt in ein dichtes, undurchsichtiges Tuch. Der Atem des Drachens ist kalt heute. Oder wie Zee sagt: „Die Berge sind ein Ort der Spiritualität.“
Hinkommen, unterkommen, rumkommen
Anreise: Mit South African Airways nonstop von Frankfurt oder München nach Johannesburg, www.sa-airlines.co.za
Unterkunft: Blyde River Canyon Forever Resort, großzügige Bungalows direkt am Wandergebiet, Ü/HP ab 72 Euro, www.foreverblydecanyon.co.za Sungubala Eco Camp, Selbstversorger-Unterkunft in einsamer Aussichtslage, ruhig und bildschön, Ü ab 23 Euro, www.sungubala.co.za Witsieshoek Mountain Lodge, Berghotel mit Aussicht und Shuttleservice für Wanderer, Ü/F ab 36 Euro, www.witsieshoek.co.za
Wanderreisen: Hauser Exkursionen bietet diverse Wanderprogramme in Südafrika an, so eine 15-tägige Überquerung der Drakensberge, 17 Tage Wandern im Wilden Norden oder 16 Tage Südafrikas Höhepunkte. Tel. 089 / 2 35 00 60, www.hauser-exkursionen.de Wanderreisen in Südafrika bieten auch Wikinger Reisen, www.wikinger-reisen.de, Weltweit Wandern, www.weltweitwandern.at und der Summit Club, www.dav-summit-club.de
Allgemeine Infos: Südafrika Tourismusinformation in Frankfurt, Tel. 08 00 / 1 18 91 18, www.southafricantourism.de