Der Schwarzwaldverein, der älteste Wanderverein Deutschlands, hat ein Problem mit seiner Mitgliederstruktur. Er greift deshalb zu ungewöhnlichen Mitteln.

Pforzheim - Mittlerer Schwarzwald, Westweg: „Beeilet se sich, da obe git‘s Pflaumekueche!“ meint ein älterer Herr mit Filzhut und Walkingstöcken, der auf dem Anstieg zur Anhöhe „Hohenlochen“ entgegen kommt. Ein paar Minuten weiter sieht der Wanderer zwischen stämmigen Fichten eine Hütte mit Waldmdach und rauchendem Kamin, davor einen gewölbten Holzverschlag, der ein wenig an eine Hobbitbehausung erinnert. „Unser Pod“ (Englisch für Hülse) nennt ihn Milena von Zelevski vom Schwarzwaldverein Wolfach, die zu Kaffee und Kuchen einlädt, der in einem alten Eisenofen gebacken wurde.

 

Den Bewirtungs-Service gibt es, seit die Hütte 1923 erbaut wurde. Seit Ende 2016 können in dem Pod bis sechs Wanderer kostenfrei übernachten, der Andrang ist groß. Auf dem Westweg, der von Pforzheim nach Basel führt, laufen Menschen aus Schanghai, Hong Kong den USA und vielen Ländern Europas, wie die Eintragungen des Hüttenbuchs beweisen. „Wandern ist in“ meint die stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe, die zum ältesten Wander- und Gebirgsverein Deutschlands gehört.

Altbackene Bezeichnungen

Aber ob die Traditionsgemeinschaft „in“ ist? In der Mitte des 19. Jahrhunderts als „Badischer Schwarzwaldverein“ gegründet, hat sie altbackene Bezeichnungen wie „Heimatpflege“, „Wegwart“ oder „Ortsgruppe“ bewahrt – von letzteren soll es 220 geben, die sich um 24 000 Kilometer Wege kümmern. Die Anzahl der Ehrenamtlichen schrumpft jedoch, in den letzten Jahren „von 75 000 auf 65 000 Mitglieder“ wie Siegbert Armbruster einräumt, der Vorsitzende der Wolfacher. Das habe Konsequenzen, denn die Wege müssten gepflegt und die Schilder geputzt wie erneuert werden. Dem Verein in Wolfach gehe es hingegen gut, in dem Ort mit rund 6000 Einwohner können sich 530 Mitglieder für die ehrenamtliche Tätigkeit erwärmen. Das komme durch viel Jugend- und Familienarbeit, so Armbruster. Aber in manchen Orten würden die Achtzigjährigen dominieren.

In der Zwischenzeit kommen Paul Civello und sein Sohn Tony zum Tee vorbei. Der Rechtsanwalt aus Minneapolis, USA, liebt Langstreckenwandern. „Bei einer Wanderung in Spanien habe ich vom Westweg erfahren, die Weite gefällt mir und das wir mit leichtem Gepäck reisen können“, berichtet der US-Amerikaner.

Der Tourismus erhöht den Druck

Sieben Streckenkilometer weiter und dreihundert Meter höher hat Petra Kiel einen anderen Blick auf den Dienst am Wandergast. Vor acht Jahren pachteten sie und ihr Lebensgefährte und Koch Dirk Arndt das Gasthaus auf dem Berg Brandenkopf vom Schwarzwaldverein, als letzte Gäste haben sie einen Abitursjahrgang aus Hausach bewirtet. „Auf dieser Höhe ist es schwer, Personal zu bekommen. In der kalten Jahreszeit haben wir Nebel und Schnee, dann kommt niemand vorbei.“ Finanziell habe sich das nicht mehr gelohnt, es gebe aber einen Nachfolger.

Auch Stephan Seyl, Sprecher der Vereinszentrale in Freiburg, räumt Personalschwierigkeiten ein. „Was vor zwanzig Jahren einmal selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr.“ Gleichzeitig erhöhe der Tourismus den Druck, dass die Wege gut ausgeschildert sein müssten, es werde dort mit „Premiumwegen“ oder „Top trails of Germany“ geworben.

Der Schwarzwaldverein macht sich deshalb Sorgen um seine langfristige Entwicklung – und entwickelt Konzepte. Unter dem Motto „2030 Wegweisend“ sucht der Verein nach schlankeren Strukturen sowie einem neuen Leitbild. Dazu lädt er zum ersten Mal in seiner 155-jährigen Geschichte alle Mitglieder zu einer Vollversammlung am 6. April nach Baiersbronn ein.