Warum fluchen wir? Eine Sprachreise durch die Welt der Flüche

Ja, soa Glomb, soa elends! Flüche unterscheiden sich von Region zu Region und von Kultur zu Kultur – doch woher kommen sie? Und warum und wann wird geflucht?
Bonn - Ein bisschen zerzaust sah Martin Schmidt nach dem Spiel seines FC Augsburg aus. Seine Elf hatte verloren - wieder einmal, und das kurz vor Abschluss der Bundesliga-Saison. Grund genug für den Trainer, Dampf abzulassen. „Um Himmelherrgottswillen, was haben wir denn da gemacht“, rief er in der anschließenden Pressekonferenz den versammelten Journalisten zu. Ein Fluch - wenn auch ein vergleichsweise freundlicher. Flüche sind beinahe an der Tagesordnung, und das nicht nur im Fußball.
In jeder Sprache gibt es sie, und wer behauptet, noch nie einen ausgestoßen zu haben, der flunkert sehr wahrscheinlich. Flüche unterscheiden sich von Region zu Region und von Kultur zu Kultur. Doch woher kommen sie? Und warum und wann wird geflucht? Aria Adli weiß es. Er lehrt Romanische Sprachwissenschaft und leitet ein Forschungslabor an der Universität Köln.
Die Deutschen, so Adli, nutzen im Allgemeinen eher die Fäkalsprache als Fluch und als Möglichkeit zum Tabubruch - „Scheiße“ etwa. In Europa sei die Fluch-Kultur sehr unterschiedlich ausgeprägt: „Die Italiener beziehen sich beim Schimpfen eher auf die Genitalien, und die Franzosen führen beide Arten in ihrem Sprachgebrauch.“ Franck Ribery, der in diesen Tagen beim FC Bayern aufhört, wird das bestätigen können. Briten und Amerikaner beziehen sich häufiger auf sexuelle Vorgänge und nutzen „fuck“ in nahezu jeder Lebenslage. Dazu kommen Bezüge zur Magie wie „verdammt“, „verflucht“ oder eben zur Religion - etwa im Fall von Schmidt.
Dreiklang aus Frustration, Affekt und Aggression
Schimpfen steckt tief im Menschen, wie Adli sagt. „Fluchen ist immer spontan und hilft uns beim Dampf ablassen“. Es komme zudem auf die Situation an: „Natürlich kann man nicht immer und überall gleich fluchen.“ Ob ein Missgeschick öffentlich oder privat passiere, sei auch hier ein großer Unterschied.
Flüche und Beschimpfungen gibt es, seit es die Menschheit gibt - da ist sich die Forschung einig. Schriftliche Belege darüber, wie zum Beispiel ein Neandertaler geflucht hat, gibt es aber nicht.
Eines der ersten überlieferten Schimpfworte ist „Hund“. Es kommt bereits im altindischen Gedicht „Rigveda“ vor rund 3.000 Jahren vor. Mittlerweile ist das Wort gerade in Bayern eine „Auszeichnung“. Mit einem „A Hund is er scho“ bedacht zu werden, kommt in manchen Kreisen einem Ritterschlag gleich: Bedeutet es doch, dass jemand als ein besonders gewiefter und cleverer Mensch angesehen wird. Auch biblische Flüche waren lange im Trend: Sie reichten von „Giftschlangenbrut“ bis „Otterngezücht“.
Beim Fluchen gehe es um einen Dreiklang aus Frustration, Affekt und Aggression, erklärt der Sprachforscher. Die Spanne ist weit, die „Beschimpfer“ sind vielfältig. Da gibt es den sogenannten Familienbeschimpfer: Mit seinen Äußerungen bedenkt dieser vornehmlich die Mutter des Gegenübers. „Die Familienehre zu beleidigen, ist etwa im Nahen Osten ein ein massiver Tabubruch und findet sich in starken Fluchausdrücken“, erklärt der Sprachwissenschaftler. Bestes Beispiel: „Hurensohn“. Auch dessen Schwester und verstorbene Familienmitglieder kommen bei ihm nicht zu kurz. Das Verbreitungsgebiet dieser Flüche ist häufig Asien oder Afrika.
Gotteslästerer im Süden
Dann sind da noch die Gotteslästerer mit dem Verbreitungsgebiet in Süddeutschland, Österreich oder der Schweiz. Beispiele gefällig? „Jessas Maria“, „Kreiz kruzefix“, „Kruzifümferl“, um nur ein paar wenige zu nennen. Hier lässt sich auch Trainer Schmidt einordnen. Nicht zu vergessen sind „die Prüden“ - in Großbritannien. Viele Flüche gehen Richtung Unterleib, weil sie damit ein Tabu verletzen.
Eine vierte und damit eigene Gruppe ist die Jugend. Teenager setzen gerne Trends und haben bekanntlich ihre eigene Sprache. Auf „Vollpfosten“, „Opfer“ oder „Null-Checker“ folgt derzeit das harmlose Gemüse „Lauch“, um einen Trottel zu bezeichnen. Wer dem Beschimpften ansonsten gute Eigenschaften zuschreibt, kann einen „Biolauch“ daraus machen.
Viele Schimpfwörter werden auch eher als Belustigung denn als Beleidigung aufgefasst. Über das etwas antiquierte „Du heiliger Bimbam“ zum Beispiel kann Sprachforscher Adli allenfalls schmunzeln.
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