Etwa jeder dritte Deutsche schnarcht, ab 40 Jahren sogar jeder zweite. Meist sind es Männer, manche so laut wie ein Rasenmäher. Das stört selten den Schlaf der Krachmacher, den ihrer Mitmenschen aber schon. Ärzte vom Klinikum Stuttgart sagen, was dagegen hilft.

Stuttgart - Die Zahl der nächtlichen Ruhestörer ist beträchtlich. Da hat das Klinikum Stuttgart zum Informationsabend „Schnarchen“ geladen – und die Reihen sind voll. Der ältere Herr etwa, der sich zu Wort meldet, gibt nächtens solche grausige Konzerte, dass seine Frau freiwillig das Zimmer verlassen hat. Ein anderer in den Fünfzigern, weiß zwar dass er schnarcht, aber nicht „ob das schädlich für meine Gesundheit ist“.

 

Erst einmal ist die nächtliche Geräuschkulisse für den Bettpartner eine größere Belastung als für den Verursacher. Doch tatsächlich gefährden Schnarcher auf Dauer sich selbst. Denn mit der Zeit kann das Schnarchen zu Atemaussetzern in der Nacht führen, die etwa das Herz-Kreislauf-System belasten, warnen Experten wie Christian Sittel, Chef der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten und für Plastische Chirurgie am Klinikum Stuttgart. So haben Schlafforscher festgestellt, dass Menschen mit Apnoen vergesslicher sind, einen erhöhten Blutdruck haben und zu Diabetes neigen.

Dicke Menschen schnarchen häufig, weil die überflüssigen Pfunde die Atemwege verengen

Rund ein Viertel der Frauen und die Hälfte der Männer produzieren des Nachts unüberhörbare Atemgeräusche. Das Schnarchen entsteht im Rachen, Pharynx genannt. Damit ist jener Schlauch im Hals gemeint, in dem die Luft- und Speiseröhre noch nicht voneinander getrennt sind. Im Wachzustand ist dieser angespannt, im Schlaf jedoch erschlafft das Gewebe und vibriert bisweilen im Atemluftstrom. Geräuschvoll wird es, wenn der Mensch verengte Atemwege hat. Andere verführt die Rückenlage zum Schnarchen, weil dann die Zunge dem Luftstrom im Weg steht. Auch dicke Menschen sind eher Schnarcher, weil die überflüssigen Pfunde die Atemwege verengen. Und dass Wein und Bier nächtliche Konzerte begünstigen, erschließt sich schnell: Denn gerade die entspannende Wirkung von Alkohol lässt das Gewebe im Rachen noch mehr flattern.

Wer häufig nächtliche Atemaussetzer hat, hat eine höhere Sterblichkeit

Man kann es als eine Art Abnutzungseffekt bezeichnen, dass aus dem Rasseln eine lebensbedrohliche Krankheit wird. Je länger das Schnarchen andauert, desto höher ist die Gefahr, dass es zu Störungen der Zungen- und Pharynxmuskulatur kommt. Wenn die Muskeln immer mehr erschlaffen, kann sich der Rachen vollends verschließen. Passiert dies mehr als 30 Mal pro Minute, so zeigen es Studien, ist die Sterblichkeit des Betroffenen bereits massiv erhöht. Schlicht, weil die Erholungsfunktion des Schlafes nicht mehr gewährleistet ist: „Sobald sich der Rachen verschließt, wird der Betroffene aus dem Schlaf gerissen und schnappt nach Luft“, so Sittel. Die Atemstörung hat Folgen: „Die Betroffenen fühlen sich tagsüber nicht ausgeruht, können sich nicht gut konzentrieren und leiden unter Einschlafstörungen.“

Nicht immer ist eine Nacht im Schlaflabor notwendig

Wer in der Sprechstunde der HNO-Klinik mit diesen Symptomen auftaucht, erhält erst einmal eine kleine Box, die des nachts um Brust und Bauch geschnallt wird. Mit Hilfe dieser polygraphischen Messung wird der Schlaf des Betroffenen überwacht – der Sauerstoffgehalt des Blutes, die Bewegung von Bauch und Brustkorb und der Atemfluss durch die Nase. „So lässt sich schon gut erkennen, ob eine Schlafapnoe vorliegt“, sagt Sittel. Sind weitere Untersuchungen nötig, wird der Patient ins Schlaflabor gebeten.

Bei der Therapie gilt es, den Rachen möglichst stets offen zu halten. „Bei Schnarchern ohne auffällige Atemaussetzer reichen einfache Hilfsmittel“, sagt Sittel. Schnarcht der Patient stets in der Rückenlage, muss er in die Seitenlage gezwungen werden. Das klappt am besten mit Hilfe eines kleinen Rucksacks, der vor dem Schlafengehen auf den Rücken geschnallt wird. Irgendwann gewöhnt sich der Körper an diese Schlafposition. Auch Gewichtsreduktion und der Verzicht auf Alkohol am Abend können das Schnarchen unterbinden.

Wirksamste Methode ist die Therapie mit einer Schlafmaske

Patienten mit einer Schlafapnoe empfehlen Ärzte die sogenannte CPAP-Therapie – kurz für „Continuos Positive Airway Pressure“ oder zu deutsch „kontinuierlicher positiver Atemdruck“. Dabei setzen sich die Betroffenen eine Atemmaske auf. „Durch den Luft-Überdruck werden die Atemwege offen gehalten“, sagt Sittel. Doch auch wenn Studien belegen, dass die Maske effektiv die Zahl der Apnoen reduzieren kann, ist sie nicht jedermanns Sache. Seltener sind es Hautirritationen, die im Zusammenhang mit dem Tragen der Maske auftauchen können, sagt Sittel. „Vielmehr empfinden vor allem jüngere Patienten das Tragen als lästig und unsexy.“ Langfristig werde diese medizinisch sehr sinnvoll Überdruckbeatmung daher nur von knapp mehr als der Hälfte der Betroffenen akzeptiert.

Der Zungenschrittmacher wird bald der Maske Konkurrenz machen

Für diese Patienten könnte eine weitere Therapieoption in Frage kommen, die im Klinikum Stuttgart angeboten wird: Der sogenannte Zungenschrittmacher. Bei diesem Verfahren wird der kleine Kasten in Größe einer Streichholzschachtel unter die Haut im rechten Brustbereich eingesetzt. Über eine im Körper verlaufende Elektrode wird die Atmung überwacht, eine weitere stimuliert den Zungennerv. Die Folge: Der Zungenmuskel spannt sich an und hält die Atemwege frei. Per Fernbedienung wird der Schrittmacher nachts an- und nach dem Aufwachen wieder ausgeschaltet. „Der Patient hat weder Beeinträchtigungen beim Sprechen oder Schlucken“, sagt Sittel. Die Hilfsmittel sind äußerst wirksam. Doch die Therapie wird nur bezahlt, wenn alle anderen Behandlungen versagen. Zudem kommen die Betroffenen nicht nicht umhin, ihren Lebensstil zu ändern – also: „Alkoholkonsum meiden und einen regelmäßigen Schlaf- und Wach-Rhythmus pflegen.“