Der Gärtringer Schlachthof ist geschlossen. Eine Expertenrunde diskutiert, was sich im Betrieb ändern muss.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Gärtringen - Nein, der Chef der Landestierärztekammer, Thomas Steidl, sieht kein Fehlverhalten der Ärzte, beim Skandal um den Gärtringer Schlachthof, der seit September geschlossen ist. Im Gegenteil, die Tierärzte hätten die Mängel am Schlachthof dokumentiert und der zuständigen Stelle weitergemeldet, dem Veterinäramt Böblingen. Das Amt hat den Schlachthof aufgefordert, die Mängel zu beheben, und als dies nicht geschah, Zwangsgelder von insgesamt 14 000 Euro erhoben.

 

Das Zwangsgeld jedoch wurde vom Landwirtschaftsministerium unter Peter Hauk (CDU) kassiert, worauf der Böblinger Landrat Roland Bernhard, selbst parteilos, durchgriff und den Schlachthof schloss. Ein Fehlverhalten sah der Minister nicht. Die Schließung des Schlachthofes hatte Roland Bernhard viel Respekt verschafft. Da habe der Landrat Rückgrat gezeigt, kommentierte Roland Mundle, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag. Thomas Steidl wertet den Vorgang so: „Ohne Rückendeckung können Sie nicht für Tierschutz sorgen.“

Per Video die Missstände aufgezeichnet

Etwa 100 Leute waren am Montagabend zur Video-Diskussion eingeloggt, zu der Thekla Walker (Grüne)eingeladen hatte, die Wahlkreiskandidatin in Böblingen und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag. Viele der Anwesenden ließen sich dem extremen Sektor des Tierschutzes zuordnen, die es generell ablehnen, Tiere zu töten, um sie aufzuessen. Allen voran Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz, für den die Tierproduktion in der Landwirtschaft ein Grundübel ist: Die Tierzucht sei das größte Umweltproblem überhaupt, behauptet er.

Seine Organisation hatte damals per Video die Missstände aufgezeichnet, die Thekla Walker so beschrieb: Der Zutrieb zu den Schlachtbänken in Gärtringen sei nicht tiergerecht gestaltet, außerdem sei die elektrische Betäubungsanlage zuerst nur auf 2,5 Sekunden, dann auf 3,5 Sekunden eingestellt gewesen. Per Gesetz sind aber vier Sekunden Vorschrift. Vor allem aber hätten einzelne Mitarbeiter die Tiere gequält.

„Durch die Fleischbeschau können wir zu 100 Prozent garantieren, dass kein schlechtes Fleisch verkauft wird. Für den Tierschutz allerdings können wir nicht zu 100 Prozent gerade stehen, denn dafür haben wir das Personal nicht“, sagt dazu Thomas Steidl.

„Wir haben heute eine andere Idee von Tieren und von Tierschutz“, ergänzt die Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord. „Wir wissen heute mehr über das Verhalten von Schweinen und Kühen und oft sind die Schlachthöfe noch nach veralteten Standards ausgerichtet.“

Andere Idee von Tierschutz

Das Fazit der Veranstaltung lässt sich etwa so beschreiben: Die kleinen Schlachthöfe seien unterfinanziert, das Fleisch müsse teurer werden, damit mehr Geld für das Tierwohl eingesetzt werden könne. Es brauche mehr und vor allem besseres geschultes Personal in den Schlachthöfen.

Das sind also jede Menge Aufgaben, die die Parteien angehen müssen. Außerdem sollte der Fleischkonsum sinken, sicherlich mehr eine gesellschaftliche Aufgabe als eine politische.

Das Landratsamt Böblingen arbeitet inzwischen auch an einer Lösung des Problems, und zwar an einer konkreten. Ein runder Tisch bestehend aus Betreibern, Bauern und Tierärzten hat sich darauf geeinigt, den Gärtringer Schlachthof tiergerecht umzubauen.

Nach den Berechnung des beauftragen Architektenbüros wäre eine Investition von 4,2 Millionen Euro nötig, zuzüglich Steuern und Baunebenkosten. Inwieweit diese Kosten vom Bund oder vom Land gefördert werden können, steht noch nicht fest. Nach dem bisherigen Plan soll der Schlachthof Mitte des Jahres wieder geöffnet werden.