Was will Martin Schulz? Das war zuletzt eine häufig gestellte Frage. Der Entwurf eines Wahlprogramms gibt nur bedingt eine Antwort. Vieles bleibt vage. Wer kann schon sagen, wie viel in Stuttgart oder in Chemnitz ein „normales Haus“ kosten darf?

Berlin - Die SPD will nun liefern, beschreibt in groben Zügen, wie sie sich eine gerechte Gesellschaft vorstellt. Der Entwurf eines Wahlprogramms liegt unserer Zeitung vor.

 

Steuern und Abgaben

Die SPD will die „kleinen und mittleren Einkommen“ entlasten. „Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll mehr Netto vom Brutto haben“. Es sind allerdings weder Einkommenskorridore genannt, noch wird klar, ob die Entlastung über eine Steuersenkung oder eine Reduzierung der Sozialabgaben erfolgen soll. Auch ist offen, ob dabei andere Entlastungsversprechen der SPD, etwa die Befreiung von Kitagebühren eingerechnet werden sollen. Eine generelle Steuersenkung für alle Einkommensgruppen lehnt die SPD ab. „Besonders vermögende Bürgerinnen und Bürger sollen und können einen höheren Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Investitionen und zur Entlastung von unteren und mittleren Einkommen leisten“, heißt es. Die Erbschaftssteuer für „große Vermögen“ soll steigen, das „normale Haus“ aber dank „hoher Freibeträge“ unangetastet bleiben. Wer in welchem Maße betroffen sein soll, bleibt also offen, Kanzlerkandidat Martin Schulz will sich noch festlegen. Unklar ist außerdem, ob die Vermögenssteuer vom Tisch ist. Teile der Parteilinken werden versuchen, eine entsprechende Forderung durchzusetzen. Das Ehegattensplitting soll in ein Familiensplitting umgewandelt, die Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge abgeschafft, eine Umsatzsteuer auf Finanzprodukte eingeführt und internationales Steuerdumping bekämpft werden.

Rente

Noch unkonkreter bleibt die SPD beim Thema Alterssicherung. Man strebe an, das „Rentenniveau zu stabilisieren“. Auf welchem Niveau bleibt unbestimmt. Moderne Beschäftigungsverhältnisse, Berufswechsel und verringerte Arbeitszeiten während der Kindererziehung sollen im Rentensystem stärker berücksichtigt, Selbstständige ins gesetzliche Rentensystem eingegliedert werden. Was das für die Beitragshöhe bedeutet und die Höhe des steuerfinanzierten Anteils wird nicht beschrieben. Die von Arbeitsministerin Andrea Nahles vorgeschlagene „doppelte Haltelinie“ mit einer Mindestsicherung des Rentenniveaus, aber auch mit einer Deckelung des Beitragssatzes findet sich nicht in den Vorschlägen.

Wirtschaft und Arbeit

Die SPD will Milliarden in die Hand nehmen, um im Rahmen einer „Investitionsoffensive“ die Infrastruktur und die digitalen Netze zu modernisieren. Vor allem dem Mittelstand soll unter die Arme gegriffen werden, etwa durch staatliche Forschungszuschüsse oder die Verbesserungen bei der Gewährung von so genanntem „Wagniskapital“. Unnötige Bürokratie soll abgeschafft, vor allem Firmengründer sollen von komplizierten Regularien entlastet werden. Bis 2025 sollen 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. Das wären rund 122 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachliche Gründe will man abschaffen, ebenso Ausnahmen beim Mindestlohn für Langzeitarbeitslose. Die Tarifbindung soll gestärkt werden. Ziel ist außerdem die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern. Von der Digitalisierung der Arbeitswelt unter dem Stichwort „Arbeiten 4.0“ sollen Beschäftigte durch mehr Wahlmöglichkeiten bei ihrer Arbeitszeit und ihrem Arbeitsort profitieren, „sofern betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen“. Es soll zugleich ein „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“ eingeführt werden. Wichtig ist der SPD ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf die frühere Arbeitszeit.

Familie, Bildung, Pflege

Die SPD will massiv in die Modernisierung von Schulen investieren und dafür dem Bund erlauben, die Länder finanziell stärker zu unterstützen. Bildung soll gebührenfrei sein – „von der Kita über die Ausbildung und das Erststudium bis zum Master und zur Meisterprüfung“. Für Eltern soll es die Familienarbeitszeit und das Familiengeld in Höhe von 150 Euro monatlich geben, ebenso für Angehörige die wegen eines Pflegefalls in der Familie beruflich vorübergehend kürzer treten müssen.

Soziales

Für Gesundheit und Pflege soll die Bürgerversicherung eingeführt werden, „in die alle einzahlen“. Arbeitgeber und Versicherte sollen wieder den gleichen Anteil am Versicherungsbeitrag zahlen. Den von der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführte Zusatzbeitrag für Versicherte will die SPD abschaffen. „Alle erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten werden wir automatisch in die Bürgerversicherung aufnehmen.“ Dazu sollen künftig auch die Beamten zählen. Wer schon privatversichert ist, soll wählen dürfen. In der Arbeitslosenversicherung soll es ein Recht auf Weiterbildung geben, verbunden mit einem „Arbeitslosengeld Q“, das nicht auf die Dauer des regulären Arbeitslosengeldbezugs angerechnet wird. Die Schwelle für den Bezug von Arbeitslosengeld will man senken, das Schonvermögen beim Arbeitslosengeld 2 verdoppeln und die Sanktionen für unter 25-Jährige streichen.

Wohnen

Die nicht sonderlich wirkungsvolle Mietpreisbremse soll verbessert werden. Die zulässige Mieterhöhung nach einer Modernisierung will die SPD stärker begrenzt. Die SPD will mehr für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. Für Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen soll es ein sozial gestaffeltes Baufamiliengeld geben.

Sicherheit und Verteidigung

Die SPD will 15000 neue Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern schaffen. Die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums müssten verstärkt und die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden national wie international verbessert werden.

Rüstungsexporte sollen eingedämmt werden. Eine Anhebung des Verteidigungsetats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts lehnt die SPD ab, obwohl dies eigentlich in der Nato als Ziel vereinbart worden ist. Eine solche Erhöhung würde aber über 70 Milliarden Euro pro Jahr für die Rüstungs- und Verteidigungspolitik kosten, weshalb es das „mit der SPD nicht geben“ werde.

Europa, Zuwanderung

Deutschland profitiere enorm von der EU, deshalb sei auch stärkeres finanzielles Engagement gerechtfertigt, um „exzessive Ungleichgewichte“ zwischen den Mitgliedstaaten zu überwinden. Um das zu schaffen, sei perspektivisch eine „Wirtschaftsregierung für den Euro-Raum“ nebst einem gemeinsamen Finanzbudget anzustreben. Dieses Budget soll über eine Besteuerung der Finanzmärkte aufgefüllt werden, nicht über Schulden.

Das Recht auf Asyl soll „unangetastet bleiben.“ Um illegale Migration einzudämmen, sollen in der EU legale Einwanderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Die EU soll feste Kontingente von Flüchtlingen kontrolliert aufnehmen. Sie sollen nach einem fairen Schlüssel auf alle EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Außerdem will die SPD ein Einwanderungsgesetz, das festlegt, wer hier gebraucht wird und wer nicht.