Ehninger Entwicklungskonzern setzt auf Kurzarbeit und Home Office, vermietet und veräußert Immobilien, verringert Reisekosten in Millionenhöhe und schüttet eine Minimal-Dividende aus.

Ehningen - Die Stadthalle in Sindelfingen blieb am Freitag zur anberaumten Hauptversammlung der Bertrandt AG verwaist. Die Kontaktbeschränkungen machten die Aktionärsversammlung des vor allem in der Autobranche wirkenden Konzerns zur virtuellen Veranstaltung, die nur mit Vorständen und Aufsichtsrat stattfand. Und so gab es diesmal auch keine Naturaldividende in Form von Brezeln und Maultaschen. Die Aktionäre konnten sich trotz des pandemiebedingt schwierigen Geschäftsjahres 2020/21 an ihren Bildschirmen über eine Dividende freuen, die gleichwohl bescheiden ausfiel und laut Beschluss der Hauptversammlung nur 0,15 Euro je dividendenberechtigte Stückaktie beträgt.

 

Die Automobilindustrie befindet sich laut Vertriebsvorstand Michael Lücke in einer tiefgreifenden Transformation, die auf die Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Klimas zurückzuführen ist. Modellvielfalt bei Elektrofahrzeugen und fortwährende Weiterentwicklung von alternativen Antriebstechnologien seien die Folge. Des Weiteren spielten die Digitalisierung in allen Bereichen sowie die vernetzte und autonome Mobilität eine maßgebliche Rolle. Darüber hinaus wirkten globale Unwägbarkeiten wie die international schwebenden Handelskonflikte zwischen den USA und China und der EU sowie der Brexit.

Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) haben pandemiebedingt alle Regionen 2020 Rückgänge beim Autoabsatz verkraften müssen. Insbesondere Europa hat mit 24,3 Prozent die größten Einbrüche verzeichnet. In den USA ging der Absatz um fast 15 Prozent zurück. Der weltweit größte Automobilmarkt China erholte sich im Vergleich zu den beiden anderen Leitmärkten USA und Europa zwar relativ schnell, blieb allerdings auch mit einem Minus von gut sechs Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Diese Entwicklungen spiegelten sich laut Lücke bei den Kunden der Bertrandt AG wider: „Viele hatten mit Umsatz-und Ergebnisrückgängen zu kämpfen. Ihr Fokus lag deshalb auf der Absicherung der Lieferketten, der Priorisierung anlaufkritischer Projekte und der Liquiditätssicherung. Das wirkte sich entsprechend belastend auf die Forschungs- und Entwicklungsbudgets aus.“ Für Bertrandt bedeutete dies, dass viele Projekte gestoppt oder verschoben wurden. Bei bereits laufenden Beauftragungen hatte Bertrandt es mit volatilen Abrufen zu tun. Über mehrere Monate waren Prototypen-Teile nicht verfügbar. Diese Situation hat sich erst in den letzten Monaten des vergangenen Geschäftsjahres laut Lücke etwas entspannt.

Finanzvorstand Markus Ruf informierte auf der Hauptversammlung über die Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahres. So konnte eine Gesamtleistung von knapp 917 Millionen Euro erwirtschaftet werden und ein Ergebnis vor Steuern in Höhe von knapp zehn Millionen Euro. Zum Geschäftsjahresende betrug der Aktienkurs 32 Euro 20 Cent. Dies wurde mit 12?335 Mitarbeitern realisiert. Im zweiten Quartal fiel der Umsatz laut Ruf um sieben Prozent, im dritten Quartal um 21 Prozent und im vierten Quartal um 26 Prozent. Somit ergibt sich für das Gesamtjahr ein Umsatzrückgang von 14 Prozent auf 917 Millionen Euro, wobei im Ausland der Umsatzeinbruch rund 32 Prozent betrug. Insbesondere kurzfristige Projektverschiebungen oder Projektstopps spiegelten sich in einer Unterauslastung wider.

Gegenmaßnahme sei ein striktes Kostenoptimierungsprogramm gewesen. Staatliche Instrumente wie Kurzarbeit wurden und werden genutzt, auch Arbeitsplatzabbau fand statt, indem die natürliche Fluktuation genutzt wurde. Auch für die Zeit nach der Pandemie gehe der Konzern von einer dauerhaften Quote mobil arbeitender Mitarbeiter aus. Das heißt im Umkehrschluss: Es gibt Potenzial für eine effizientere Nutzung der Infrastruktur und des Flächenverbrauchs. So könnten finanzielle und ökologische Aspekte einfließen.

„Denn jeder Quadratmeter weniger Bürofläche spart nicht nur Mietkosten, sondern auch Heizaufwand und damit CO2-Emissionen“, so Finanzvorstand Ruf. Und natürlich verbessere jeder gesparte Kilometer Pendlerstrecke ebenfalls den ökologischen Fußabdruck.

Eine leistungsstarke und nach hohen Sicherheitsstandards zertifizierte IT-Infrastruktur sei die Voraussetzung für diese Entwicklung: So sei es der Bertrandt AG gelungen, dass bis zu 7000 Kolleginnen und Kollegen im vergangenen Jahr mobil arbeiteten.