15 Jahre im Deutschen Bundestag hielt er für genug, mit seiner Frau will er „etwas anderes machen“: Clemens Binninger ist als Berater und Vortragsredner gefragt. Mit seiner Firma unterstützt er zwei Groß- und zwei mittelständische Unternehmen.

Sindelfingen - Fast ein Jahr lang schien er in der Versenkung verschwunden zu sein. Er ließ sich kaum mehr blicken, jedenfalls nicht im Landkreis. Bis er jüngst auf der CDU-Regionalkonferenz in der Böblinger Kongresshalle auftauchte, wo sich die Kandidaten für den Parteivorsitz vorstellten. „Ich habe dauernd Hände schütteln müssen“, sagt Clemens Binninger. Für ihn war es „ein schöner Anlass“, sich wieder in der politischen Öffentlichkeit zu zeigen. Von vielen bekam er zu hören: „Schade, dass Sie nicht mehr dabei sind.“

 

Berufliche Termine bestimmten das Eheleben

Nein, viel verändert hat sich der inzwischen 56-Jährige aus Sindelfingen-Maichingen nicht. Nicht auf den ersten Blick. Etwas gealtert ist er. Seine Gesichtszüge sind immer noch kantig. Mit einem scharfen, freundlichen Blick geht er auf seinen Gegenüber ein. „Meine Frau und ich wollten etwas anderes machen“, begründet der einstige Abgeordnete, der 15 Jahre für die Christdemokraten im Berliner Parlament saß, seinen Ausstieg aus der Politik. Im vergangenen Jahr hat er nicht mehr für den Bundestag kandiert. 15 Jahre lang war das Eheleben vom beruflichen Terminkalender bestimmt worden.

Binninger war im Jahr 2002 als politischer Nobody im Kreis Böblingen für seine Partei mit 46,8 Prozent der Erststimmen unangefochten in den Deutschen Bundestag eingezogen. Aber irgendwie ist das für ihn Schnee von gestern. „Ich werde mich in kein Parlament mehr wählen lassen,“ sagt Clemens Binninger, „es gibt noch viel mehr als die Politik.“ Über seinen Tagesablauf will er wieder selbst bestimmen. In den Wahlkampf seines CDU-Kollegen Marc Biadacz, der in Berlin sein Nachfolger wurde, mischte er sich nicht ein. „Ich turne da nicht auch noch herum.“

Beiträge zur Cybersicherheit

Zumal es für ihn immer noch genug zu tun gibt. Anfang des Jahres wurde er ehrenamtliches Mitglied des Digital Society Institute (DSI) in Berlin. Eine Aufgabe, die ihm besonders am Herzen liegt. Er steuert Beiträge zur Cybersicherheit bei und begleitet die Forschung an der European School of Management and Technology (ESMT). „Die weitere digitale Vernetzung muss mit digitaler Vorsicht verbunden werden, darüber sind sich die Experten einig“, erklärt Binninger. An der ESMT in Berlin trifft er auf junge Leute, „die künftig die Technik bestimmen“. Es sei interessant, zu erfahren, „wie sie ticken“. Immerhin hätten die meisten eines gemeinsam: „Sie wollen die Welt besser, lebenswerter machen.“ Genau das möchte Clemens Binninger auch.

Schon in jungen Jahren stellte er sich in den Dienst der Sicherheit. Mit 15 erlebte er den deutschen Terror-Herbst der Roten Armee Fraktion. Er entschloss sich, Polizist zu werden. „Mit 18 kam ich in den Einzeldienst. Ich holte den Generalbundesstaatsanwalt Kurt Rebmann zu Hause ab und bewachte ihn.“ Diese Erfahrungen prägten das spätere Mitglied des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, wo er Berichterstatter für Terrorismusbekämpfung, für die Luft- und Cybersicherheit sowie bei der Reform der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste war: „Man muss die Dinge früh erkennen, wenn man etwas dagegen tun will.“

Zwielichtige Rolle der Nachrichtendienste

Sein Wissen bringt er weiterhin ein. Ende des vergangenen Jahres gründete er mit seiner Frau Ulrike die Dienstleistungsfirma binninger & binninger. Er berät zwei Weltunternehmen mit einer Deutschlandzentrale sowie zwei mittelständische Firmen wie etwa die Münchner Firma Virtual Solution in Fragen der öffentlichen Sicherheit. Damit verdient er hauptsächlich seine Brötchen. „Das erste Jahr lief sehr gut“, sagt der gefragte Vortragsredner und Gesprächspartner, der auch von der Konrad-Adenauer-Stiftung eingeladen wird. Oder zum Beispiel in die Landesvertretung in Berlin zu einer Filmpremiere wie in diesem November, wo der Politthriller „Saat des Terrors“ gezeigt wurde. Es ging fiktiv um die Rolle zwielichtiger Nachrichtendienste, die den Terrorismus mehr unterstützen als schaden. Und um die Kernfrage, die ihn nach wie vor verfolgt: Wie können Kriminelle und Terroristen rechtzeitig und effektiv bekämpft werden?

Den einstigen Vorsitzenden des parlamentarischen Kontrollgremiums, des NSA-Untersuchungsausschusses über die Überwachungs- und Spionageaffäre des US-Geheimdienstes und des Untersuchungsausschusses über die Terrorgruppe NSU treibt außerdem auch noch die Sache mit den Rechtsterroristen um. Binninger beharrt darauf: „Dem bisher ermittelten Tätertrio um Beate Zschäpe können nicht alleine die vielen Straftaten zugeordnet werden.“

Terrorermittler treffen auf ein Zuständigkeitsproblem

Binninger beschäftigt immer noch ein wesentliches Problem der Terrorermittler: „Es sind die zahlreichen Zuständigkeiten der Behörden und der Länder. Künftig muss die Bundesebene mehr als bisher das Sagen haben.“ Auch deshalb hat er an einer Veröffentlichung über das föderale System der Bundesrepublik mitgearbeitet – und sich auf der lokalen, politischen Bühne lange nicht mehr blicken lassen.

Seit einem Jahr gibt es die Dienstleistungsfirma binninger & binninger

Unternehmen:
Die einstige Bürgermeisterin von Nufringen, Ulrike Binninger, die sich im Dezember 2017 in ihrer Gemeinde nicht mehr zur Wahl stellte, und der Ex-Bundestagabgeordnete Clemens Binninger (CDU), der bei der Bundestagswahl im September 2017 ebenfalls nicht mehr antrat, sind seit einem Jahr mit einer eigenen Firma im Handelsregister eingetragen: mit der binninger & binninger. Der Sitz ist in Sindelfingen-Maichingen. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bringt ein Eigenkapital von 25 000 Euro ein. Sie bietet Beratungsdienstleistungen für Organisationen, Unternehmen und Personen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Verwaltung an.

Sicherheitsexperte
: Clemens Binninger war nach der Polizeikarriere und den Studienjahren im Innenministerium in Stuttgart beschäftig und später im Staatsministerium Referent für Innen-und Sicherheitspolitik. Nach seiner Zeit als Politiker, die ebenfalls von Sicherheitsfragen geprägt war, ist er nun Mitglied des Digital Society Institutes (DSI) in Berlin an der European School of Management and Technology (ESMT). Das DSI wurde 2016 an der ESMT eröffnet, um die Digitalisierung durch interdisziplinäre Forschung und Entwicklung zu fördern. Die ESMT ist eine internationale Wirtschaftshochschule, die von 25 führenden globalen Unternehmen und Verbänden gegründet wurde. Sie konzentriert sich auf drei Schwerpunkte: gesellschaftliche Verantwortung, europäische Wettbewerbsfähigkeit und Technologiemanagement.