Alexander Berner fühlt sich nach einem halben Jahr von den Schafhausenern als Hausarzt und Neubürger angenommen. Die erste Zeit war für ihn mit Umstellungen verbunden. Jetzt hat er in der Mittagspause sogar Zeit für eine närrische Einlage in der Praxis.

Schafhausen - Alexander Berner hat die Arztpraxis in Schafhausen übernommen und ist damit einer der Landärzte, die es heute immer weniger gibt. Für den 39-jährigen Internisten, der von der Robert-Bosch-Klinik kommt, überwiegen die Vorteile als Einzelkämpfer in der Provinz. „Ja, als Landarzt zu arbeiten, das war seit dem Studium mein Wunsch“, begründete er beim Start. Am Rosenmontag wurde er jetzt von der Familie und Freunden auf die Probe gestellt, ob er tatsächlich das Zeug zu einem richtigen Landarzt hat.

 

„Oh, ich habe ein Pony in meiner Praxis!“ Das hatte er wohl nicht erwartet, als er in seiner Mittagspause von seiner Praxismitarbeiterin wegen eines „Notfalls“ in den Vorraum gebeten wurde. Die anfängliche Fassungslosigkeit wich schnell der närrischen Begeisterung und sogleich erfolgte eine fachmännische Anamnese. Nach der eingehenden Untersuchung inklusive des Abhörens konnte Pony Ivy beste Gesundheit bescheinigt werden. Diese verhielt sich tadellos und konnte die Praxis auf dem für sie extra verlegten Malervlies alsbald wieder Richtung Heimat, dem Reitstall Riehm, verlassen. Zurück ließ sie ein Praxisteam, bei dem man sich wohl in jeder Situation willkommen fühlen kann.

In nur einem Monat musste sich Berner vom Angestellten zum Klein-Unternehmer verwandeln, mit zwei Mitarbeitern, eigener Buchhaltung, eigenen Räumen und einer eigenen IT-Infrastruktur. Abrechnungsziffern, das Praxisverwaltungssystem und nebenbei auch ein neues Diagnose- und ein Ultraschallgerät – all das hat Berner seither in Nutzung. Ich musste ins kalte Wasser springen“, blickt Berner auf „den harten Schnitt“ zurück und führt aus: „Ich musste mich auf einen anderen Arbeitsrhythmus einstellen und auch ein anderes Arbeiten“, sagt der ehemalige Arzt eines Klinikums, wo im Minutentakt Patienten kamen und gingen, Schnelligkeit gefragt war bei einer Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten.

Die Terminsprechstunde

sorgt für geregeltere Arbeit

Mit der Terminsprechstunde sieht dies in Schafhausen anders aus: „Die Arbeit ist geregelter, der Kontakt mit den Patienten umfassender, denn wir Hausärzte sehen den ganzen Menschen“, weiß Berner. Das Kennenlernen sei daher in der Anfangszeit eine wichtige Voraussetzung. Aber auch die Erkenntnis, dass ein guter Hausarzt auch den Weg zur Gesundung mit dem Patienten geht: „Das muss nicht immer gleich eine Intervention sein. Manchmal braucht es Zeit, um Krankheiten auszuschließen und Krankheitsursachen auf den Grund zu gehen und den richtigen Facharzt zu finden“, erklärt der Hausarzt, der sich in Schafhausen angekommen und angenommen fühlt.

Denn ob die von seinem Vorgänger geführte Praxis überhaupt eine Zukunft hat, war lange ungewiss. Ulrich Wahl war viele Jahren auf der Suche nach einem Nachfolger. Für den 39-jährigen Berner ist der Hausarzt sein Traumberuf. Deshalb habe hat er auch keinen Doktor-Titel, weil dies weder nötig sei noch zu seinem Ego passe.

In Sachsen-Anhalt ist Alexander Berner aufgewachsen. In Leipzig hat er von 2000 bis 2006 studiert, war nebenbei Rettungssanitäter, um Geld zu verdienen. In einem kleinen Krankenhaus in der Nähe von Bern in der Schweiz absolvierte er während des Studiums sein praktisches Jahr und entdeckte dort seine Vorliebe zur direkten, individuellen und persönlichen Medizin geweckt. Dann kam er mit der Notfallmedizin in Kontakt. 2010 eröffnete das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart ein Notaufnahme-Zentrum und suchte nach Notfallmedizinern. „Ich wusste gleich: Das ist meine Stelle“, erinnert sich Berner. Mehr als zehn Jahre hat er am Bosch-Krankenhaus gearbeitet, zwischenzeitlich den Facharzt für Innere Medizin erlangt, weil er irgendwann in eine Praxis wollte.

Nach Schafhausen fand Berner erst als Neubürger. Im Frühjahr 2019 bezog er mit Familie ein Haus in dem Weil der Städter Stadtteil. Die Praxisübernahme fand in neuen Räumlichkeiten statt. Berner hatte so die Chance, eine Praxis nach seinen Ideen zu gestalten. Denn der Merklinger Bauunternehmer Waidelich baute in Schafhausen in der Ortsmitte. Eine Arztpraxis war eingeplant aufgrund des Prinzips Hoffnung.