Plutos Gashülle ist sehr ungewöhnlich. Denn sie ist nicht nur groß und dunstig, dieser Dunst spielt auch eine entscheidende Rolle für den Wärmehaushalt des Zwergplaneten.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Erst waren es neun, dann nur noch acht. So viele Planeten zählen derzeit zu unserem Sonnensystem: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Bis zum Jahr 2006 gehörte noch Pluto dazu. Aber der wurde zum Zwergplaneten herabgestuft. Die Internationale Astronomische Union (IAU) beschloss eine neue Planetendefinition und entzog Pluto kurzerhand seinen planetarischen Status.

 

1930: Pluto wird entdeckt

Dass weit draußen in unserem Sonnensystem etwas ist, was ein Planet sein könnte, hatten Wissenschaftler schon seit langem vermutet. Im Jahr 1930 wurde dieses Etwas von dem jungen Astronomen Clyde William Tombaugh (1906-1997) durch das Lowell-Observatorium in Flagstaff (US-Bundesstaat Arizona) entdeckt – Pluto.

Der Himmelskörper ist mit einem Durchmesser von 2370 Kilometern der größte bekannte Zwergplanet im Kuipergürtel, der für eine Sonnenumrundung 247,68 Jahre benötigt.

Pluto in blaues Licht gehüllt. Foto: Imago/Depositphotos

Gebirge, Gletscher, Vulkane

Der ferne Zwergplanet galt lange Zeit als kalte tote Welt. Doch im Jahr 2015 zeigte die Nasa Raumsonde New Horizons ein ganz anderes Bild: Pluto besitzt Gebirge, Gletscher, Eisvulkane und bis vor wenigen Millionen Jahren sogar einen Supervulkan von der Größe der Yellowstone-Caldera. Statt glühender Lava förderte dieser Eisvulkan riesige Mengen ammoniakhaltiges Wassereis.

Und noch etwas macht Pluto außergewöhnlich: Es existiert auf ihm eine geschichtete, sich mit den Jahreszeiten verändernde Gashülle aus Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid. Damit ist Pluto ist der einzige transneptunische Himmelskörper mit einer Atmosphäre. In ihr wehen Winde, die verdampften Stickstoff von der hellen, herzförmigen Ebene Sputnik Planitia rund um den Zwergplaneten transportieren.

  • Zur Info: Die helle, herzförmige Ebene auf Pluto nennt sich Sputnik Planitia, ein eisbedecktes, etwa 1050 Kilometer langes und 800 Kilometer breites Becken auf der Nordhalbkugel des Zwergplaneten.
3D-Darstellung der Planetenoberfläche. Foto: Imago/StockTrek Images
Eisig kalt und lebensfeindlich: Pluto. Foto: Imago/Panthermedia
3D-Illustration der Oberfläche von Pluto. Foto: Imago/Depositphotos

Woraus Plutos Dunstschleier besteht

Mit dem James-Webb-Teleskop der US-Raumfahrtbehörde Nasa haben Astronomen seit 2021 ein „Auge im All“, das erstmals präzisere spektrale Analysen von Plutos Atmosphäre ermöglicht. Diese Untersuchungen haben Tanguy Bertrand von der Sorbonne Universität in Paris und seine Kollegen jetzt durchgeführt. Ihre Studie ist Fachjournal „Nature Astronomy“ erschienen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Plutos Atmosphäre noch ungewöhnlicher als bisher angenommen. Sie enthält nicht nur Gase wie Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid, sondern auch komplexe organische Moleküle und Eiskristalle – darunter Ethan, Acetylen, Cyanwasserstoff und Nitrile sowie größere Kohlenwasserstoffe. Diese Elemente bilden zusammen mit Eispartikeln die Schwebteilchen, die den Dunstschleier um den Zwergplaneten erzeugen.

Pluto mit seinem Mond Charon (re.), dem innersten und größten der fünf bekannten Monde des Zwergplaneten. Foto: Imago/Dreamstime

„Die beobachteten Werte zeigen, dass der Nebelschleier des Pluto ähnlich wie beim Saturnmond Titan aus organischen Partikeln und aus Wolken aus Kohlenwasserstoffen und gefrorenen Nitrilen besteht“, schreiben die Astronomen. Dieser Dunst des Zwergplaneten ist zwar viel dünner als die dichten Schleier des Titan, wirkt sich aber dennoch auf den Wärmehaushalt des Zwergplaneten aus, wie die Infrarotmessungen enthüllen.

Einzigartige Atmosphäre im Sonnensystem

Die neuen Analysen bestätigen eine Hypothese, die Koautor Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz schon im Jahr 2017 postuliert hatte. Die Dunstpartikel der Atmosphäre von Pluto wirken wie eine Kühlschicht. Sie reflektieren das Sonnenlicht und strahlen beim Aufsteigen aus unteren Schichten Wärme ab.

„Unsere Ergebnisse bestätigen eindeutig, dass das Wärme-Budget von Plutos Atmosphäre von den Eigenschaften des Dunstes bestimmt wird“, schreiben die Forscher. „Sie zeigen, dass dieser Dunstschleier die Mesosphäre des Pluto von rund 110 Kelvin bis auf rund 70 Kelvin abkühlt.“

Die blau leuchtende Atmosphäre von Pluto, aufgenommen von dr Nasa-Raumsonde „New Horizon“ im Jahr 2015. Foto: Imago/ZumaWire

Somit hat der Pluto eine im Sonnensystem einzigartige Atmosphäre. „Pluto nimmt eine absolute Sonderstellung unter den Planetenatmosphären und ihrem Verhalten ein“, erklärt Zhang. Der Dunst und sein Einfluss auf den Wärmehaushalt des Planeten seien absolut außergewöhnlich. „Gleichzeitig bietet er uns die Chance besser zu verstehen, wie sich solche Dunstschleier unter so extremen Bedingungen verhalten.“