Die Stuttgarter haben viele Wünsche. Die Stadt sollte ihnen nachkommen, wo immer es sinnvoll ist, findet Lokalchef Jan Sellner. Ein Wunsch ist besonders sinnvoll . . .

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Wünschen ist was Schönes – auch wenn darin immer ein Unzufriedenheitspotential angelegt ist. Einerseits, weil Wünsche nicht immer in Erfüllung gehen, andererseits, weil sie oft weitere Wünsche nach sich ziehen. Diese Erkenntnis ist mehr als 2000 Jahre alt. Der Philosoph Epikur formulierte zeitlos: „Wenn du einen Menschen glücklich machen willst, dann füge nichts seinen Reichtümern hinzu, sondern nimm ihm einige von seinen Wünschen.“ Diese Erkenntnis klingt nach, wenn jemand „wunschlos glücklich“ ist .

 

Andererseits: Wünsche drücken Sehnsüchte aus und setzen etwas in Bewegung. Auch dafür findet sich ein Fürsprecher aus dem Kreis der großen Denker – Friedrich Nietzsche: „Wünsche will ich, nichts als Wünsche: und immer an Stelle der Erfüllung einen neuen Wunsch.“ In Stuttgart ist das Wünschen sogar institutionalisiert. Bereits zum vierten Mal fragte die Stadtverwaltung die Begehren der Bürger ab – mit beachtlichem Echo: 51 875 Stuttgarter beteiligten sich mit 3457 Vorschlägen Sie fließen ein in den sogenannten Bürgerhaushalt, mit dem sich jetzt auch der Gemeinderat beschäftigt hat.

Großes Echo auf die Frage „Was fehlt Stuttgart?“

Anders als bei Nietzsche geht es beim Bürgerhaushalt nicht um ein folgenloses Wunschkonzert. Die Bürger haben vielmehr die Erwartung, dass davon auch etwas Wirklichkeit wird. Das unterscheidet die Philosophie von der Lokalpolitik. Entsprechend sind die hier vorgetragenen Wünsche das, was man handfest nennt. Wunsch Nummer eins in diesem Jahr betrifft die Erneuerung des Kunstrasens und der Flutlichtanlage der Sportvereinigung 1887 Möhringen . . .

Zu den 51 875 Stuttgarter Wünschen darf die vermögende Stadt gerne noch ein paar weitere addieren. Sie stammen aus einer kleinen Leserumfrage unserer Zeitung zum Thema „Was fehlt Stuttgart?“ Auch hierbei war der Rücklauf erfreulich groß – nachzulesen in den Leserbriefspalten der vergangenen Tage. Die Liste der eingereichten Leserwünsche ist lang – sie reichen vom Wunsch nach mehr Wasser in der Stadt über Sessellifte für den Rotenberg, die Doggenburg und den Killesberg bis zum Vorschlag, die Stuttgart-Maskottchen Äffle & Pferdle am Schlossplatz aufzustellen. Viele Wünsche kreisen um das Thema Fortbewegung. Auch das Bedürfnis nach mehr bezahlbaren Wohnungen in der Stadt taucht häufig auf.

Den Bewegungsradius von alten Menschen erweitern

Ein konkreter Wunsch sei herausgegriffen – weil er sinnvoll ist und leichter umzusetzen als mancher andere: die Bitte um einen Zubringer- und Abholdienst für gehbehinderte Menschen, die das Bärenschlössle besuchen wollen. Hinter diesem Wunsch, der gerade mit einer Unterschriftensammlung bekräftigt wird, steht ein legitimes Anliegen – nämlich eines der beliebtesten Ausflugziele der Stadt barrierefrei zu erschließen. Ob das mit einem E-Bus-Shuttle bewerkstelligt wird oder mit elektrischen Rikschas oder auf andere umweltfreundliche Weise, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass die Stadt bereit ist, den Radius von alten Menschen und Menschen mit Behinderung zu erweitern. Anders gesagt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg für alle zum Bärenschlössle.

jan.sellner@stzn.de