Die neue Netflix-Serie „Nightflyers“ basiert auf der Novelle eines Starschreibers: „Game of Thrones“-Autor George R. R. Martin. Es geht um eine Raumexpedition voller Probleme. Die Serienmacher schneiden große Themen an. Aber Tempo ist nicht ihr Ding.

Stuttgart - Irgendwann wird es hoffentlich so weit sein: die Menschheit nimmt Kontakt zu einer außerirdischen Intelligenz auf. In der Netflix-Serie „Nightflyers“ ist es allerdings eine ziemlich verwüstete, von weltweiten Seuchen gebeutelte Erde, von der Raumfahrer und Wissenschaftler aufbrechen, um ein fernes Objekt in den Tiefen des Alls zu erreichen. Das fliegt – glaubt man einer Minderheit irdischer Forscher – eine so seltsame Bahn, dass dieser Kurs nur das Ergebnis bewusster Steuerungsmanöver sein kann.

 

Der epochale Schritt für die Menschheit scheint eher eine Privatexpedition zu sein. Das Raumschiff Nightflyer, das ein Rendezvous mit den Außerirdischen anstrebt, gehört einem Konzern, dessen Chef Roy Eris (David Ajala) die Rolle des Schiffskapitäns ausfüllt und doch ein Phantom bleibt. Eris verlässt seine Kabine nicht, er tritt zunächst nur als täuschend realistische holografische Projektion in Erscheinung. Dabei wird sein Eingreifen früh nötig.

Hass auf den Telepathen

Die Mannschaft kommt der Meuterei nahe, als bekannt wird, dass der Telepath Thale (Sam Strike) an Bord ist, ein übersinnlich Begabter, der nicht nur die Gedanken anderer lesen, sondern auch deren Wahrnehmungen massiv manipulieren kann. In dieser Welt des Jahres 2093 werden Telepathen von vielen Normalmenschen so gehasst und gefürchtet wie Hexen im finstersten Mittelalter. Und weil man sie normalerweise in Isolationshaft hält, wo sie permanent Hass und Angst der anderen spüren, werden auch keine Menschenfreunde aus ihnen. Thale, an Bord, um den Kontakt zu fremden Intelligenzen zu erleichtern, treibt tatsächlich raue Spiele mit der Nightflyer-Mannschaft.

Bei „Nightflyers“ springt einem zunächst einer der glanzvollsten Namen der aktuellen Serienwelt entgegen, der von Autor George R. R. Martin. Die ein ganzes Genre neu definierende Fantasy-Serie „Game of Thrones“ basiert auf Martins Buchvorlagen, „Nightflyers“ auf einer Science-Fiction-Novelle von ihm. Diese schon 1980 geschriebene Geschichte habe seine trudelnde Karriere gerettet, bekennt Martin, als 1987 ein Kinofilm aus ihr wurde.

Große Themen, zähe Szenen

Die Serie ist anders als der damalige Film, sie will große Themen – unter anderem künstliche Intelligenz, die Definition des Menschseins, Selbstbestimmung und Traumata – behandeln. Andererseits will sie Horrormotive in die Science-Fiction-Umgebung einbetten und jede Menge Klassiker zitieren, von „Solaris“ über „Alien“ bis hin zu „Star Trek“. Das Ergebnis ist leider zäh, und wenn knappe, barsche Dialoge oder finstere Blicke nebst mysteriösem Schweigen Spannung und eine Ahnung menschlicher Abgründe schaffen sollen, wirken die Szenen oft nur unbeholfen.

Eingefleischte Science-Fiction-Fans werden vielleicht über die Schwächen hinwegsehen können. Man merkt, dass es den Machern ernst ist mit ihren Themen, dass etwa die Horrorelemente – etwas Unbekanntes, lange Ungreifbares ist an Bord – nicht einfach gruseln sollen. Es geht hier um die unberechenbaren Abseiten aller menschlichen Unternehmungen. Wer aber nur flotte Unterhaltung und spektakuläre Raumszenen sucht, sollte lieber nicht auf „Nightflyers“ setzen.

Verfügbarkeit: beim Streamingdienst Netflix, alle 10 Folgen bereits abrufbar