Erstmals hat sich auch Woody Allen an einer Fernsehserie versucht. Und ist gescheitert. Seine auf sechs Episoden angelegte Sitcom „Crisis In Six Scenes“ ist trotz Miley Cyrus behäbig und nur selten witzig. Am Freitag, 30. September, startet die Serie bei Amazon Prime.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Woody Allen sitzt beim Friseur. Er möchte gerne so aussehen wie James Dean, sagt er dem Mann mit der Schere. Dieser tut, was er kann, und lenkt Allen, der in dieser TV-Serie Sidney J. Munsinger heißt und ein nicht ganz so erfolgreicher Schriftsteller ist, mit ein bisschen Smalltalk ab: „Schreiben Sie an einem neuen Roman?“, fragt er. „Ich arbeite an einer TV-Serie“, antwortet Munsinger. „Ah, vielleicht ist das ein Medium, das Ihnen mehr liegt“, sagt der Friseur, „aber bitte geben Sie sich Mühe, dass die Story nicht wieder so inkohärent ist wie die in Ihrem letzten Buch.“ „Nein, ich werde mein Bestes geben, dass etwas Vernünftiges dabei herauskommt“, verspricht Munsinger. „Was wird es?“ „Eine Familiengeschichte.“ „Alles klar“, sagt der Friseur, „bestimmt wieder die übliche Story von der dysfunktionalen Familie mit einer besserwisserischen Frau, einer Horde Kinder und einen Mann, der ständig schikaniert wird.“ Der Mann, der wie James Dean aussehen will, stottert und rechtfertigt sich: „Fernsehserien sind nun mal sehr lukrativ, mit Romanen verdient man nicht so viel Geld.“ „Zumindest wenn man wie Sie kein J. D. Salinger ist“, sagt der Friseur und schnippelt weiter.

 

Großartige Woody-Allen-Momente gibt es trotzdem

Für Szenen wie diese, die „Crisis In Six Scenes“ eröffnet, liebt man Woody Allen. Seine erste Fernsehserie mit einer selbstreferenziellen Parodie auf den Serienboom und die eigene Schaffenskrise zu beginnen, ist natürlich ein raffiniert-perfider Dreh. Doch leider hält die Serie nicht, was dieses Vorspiel auf dem Frisierstuhl verspricht. Woody Allens Serie „Crisis In Six Scenes“, von diesem Freitag an bei Amazon Prime (zunächst nur im Original) verfügbar, ist eine Enttäuschung. In den sechs Episoden verheddert sich der 80-Jährige in einer Sitcom-Story, die turbulent sein soll, sich aber meistens als schwerfällig, hölzern, langweilig und lieblos inszeniert erweist. Trotz all der offensichtlichen Schwächen, welche die Serie im Ganzen hat, gibt es allerdings immer wieder großartige Woody-Allen-Momente wie den im Friseursalon.

„Crisis In Six Scenes“ spielt in den 1960er Jahren. Während draußen vor der Tür die Welt Kopf steht, der Vietnamkrieg die Nation entzweit, es an allen Ecken und Enden der Gesellschaft brodelt, haben es sich die Munsingers (Woody Allen und Elaine May) in ihrem Häuschen an der Ostküste gemütlich gemacht, versuchen von all dem nichts mitzubekommen, igeln sich samt Hot-Fudge-Maschine in ihrem Vorstadt-Mittelklasse-Idyll ein. Sidney J. Munsinger versucht eine TV-Sitcom, die verblüffend große Ähnlichkeit mit der „Familie Feuerstein“ hat, an gelangweilte TV-Programmchefs zu verhökern, seine Frau macht als Eheberaterin einen ziemlich miserablen Job. Doch dann zieht die junge Revoluzzerin Lennie Dale (Miley Cyrus) bei den Munsingers ein. Sie ist auf der Flucht vor der Polizei und bringt den wohlgeordneten Alltag des alten Ehepaars gründlich durcheinander.

Das gleiche Sitcom-Muster wie bei „Alf“ und „Der Prinz von bel-Air“

Woody Allen hat sich also für seine erste Fernsehserie ein ziemlich stereotypes Sitcom-Muster ausgesucht, das beispielsweise auch schon Serien wie „Alf“ oder „Der Prinz von Bel-Air“ variiert haben. Aus „Crisis In Six Scenes“ hätte trotzdem etwas werden können. Doch obwohl der New Yorker Stadtneurotiker immer noch grandiose, bizarr-ulkige Dialoge schreibt, stimmen Tempo und Timing bei den sechs Episoden so gut wie nie. Die Handlung kommt nur schleppend voran. Es gibt keine wirkliche Dramaturgie, die Szenen sind hölzern aneinandergereiht. Das Serienfinale, das eine Hommage an die Screwball- und Slapsticktradition der Filmkomödien sein will, wird gründlich vermasselt.

Und selbst Miley Cyrus kann Woody AllensSerie nicht retten. Das Enfant terrible des Pop, das mit blonder Langhaarperücke wieder ein bisschen wie Hannah Montana aussieht, ist mit der Aufgabe, diesem sperrig-schwerfälligen Komödienungetüm Leben einzuhauchen, überfordert. Aber immerhin darf sie als ständig hungrige und Marihuana verteilende Lennie Dale ausgiebig schimpfen: über das FBI, die faschistische Polizei, die Propagandamaschinerie, das verrottete System, das Land, das von der Konsumindustrie regiert wird, und natürlich über Munsinger/Allen: „Der Typ ist definitiv senil!“

„Vielleicht sollte ich das idiotische Sitcom-Ding doch besser sein lassen“

Die langsam und mit ruhiger Kamera inszenierte Sixties-Sitcom „Crisis In Six Scenes“ funktioniert damit am ehesten noch als eine sich hinter einer historischen, in Sepiafarbtönen angestrichenen Fassade versteckende Parodie auf die Konflikte, welche die USA-Gesellschaft aktuell umtreiben. Am Ende jedenfalls liegt Sidney J. Munsinger wieder friedlich zu Hause im Bett. „Vielleicht kannst du jetzt endlich weiter an deiner Sitcom arbeiten“, schlägt seine Frau vor. Doch ihr Mann zögert: „Ich überlege, ob ich das ganze idiotische TV-Sitcom-Ding vielleicht doch besser sein lassen und es lieber noch mal mit einem Roman versuchen sollte.“ Gute Idee.