Dass der Mensch ihnen eine Rippe hinzuzüchten würde, konnten die Schweine nicht ahnen, als sie sich dem Menschen anschlossen. Auch der Wolf wusste nicht, dass sein Nachfahr als Mops mit Atemnot enden würde. Dabei hat alles so gut angefangen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Dresden - Man sollte meinen, dass wer als Haustier einen Namen hat und somit zu einem fast ebenbürtigen Gegenüber des Menschen geworden ist, schon mal auf der sicheren Seite des Lebens angekommen sei. Doch weit gefehlt. Auch die Jules und Corleones können ein Lied davon singen, dass Hund und Katze nicht unbedingt ein aus zoologischer Sicht unbeschwertes Tierleben führen. Oder was würde wohl der Wolf denken, würde er einem mopsgesichtigen Artgenossen gegenüberstehen, der aufgrund menschlicher Zuchtbemühungen extrem verkürzte Atemwege und damit ein gravierendes medizinisches Problem hat.

 

Man muss es nicht ganz so drastisch wie die Tierethikerin Hilal Segzin ausdrücken, die sagt: „Tatsächlich sind wir, was Tiere angeht, noch immer eine Sklavenhaltergesellschaft“, die Tiere als lebende Besitztümer halte und willkürlich in Kategorien wie Nutztier, Haustier oder Labortier einteile. Aber Sezgin spricht eine Wahrheit aus: Der Mensch gestaltet die Beziehung zu den Tieren, die ihn umgeben, nach seinem Willen. Kurz: Er sitzt am längeren Hebel, gibt die Regeln vor.

Diesem schillernden Verhältnis geht das Dresdner Hygienemuseum gerade mit der Ausstellung „Tierisch beste Freunde. Über Haustiere und ihre Menschen“ nach, die dort noch bis 1. Juli 2018 zu sehen ist.Denn es war ja nicht schon immer so, dass Mensch und Tier gemeinsame Sache machen, auch wenn sie es nun schon seit Jahrtausenden tun. Aus Sicht des Münchner Zoologen und Evolutionsbiologen Josef H. Reichholf ist diese Beziehung geprägt vom Anspruchsdenken des Menschen an die Kreatur. „Zentrale menschliche Bedürfnisse zeigen sich im Umgang des Menschen mit dem Haustier wie unter einem Brennglas“, schreibt der 72-Jährige in „Haustiere. Unsere nahen und doch so fernen Begleiter“, einer sehr informativen Abhandlung, die der Dresdener Ausstellung als Katalog dient. Und so habe der Mensch, wie schon Hilal Sezgin kritisch anmerkt, die vielen Millionen Rinder und Schweine, Hühner und Gänse mit dem Etikett Nutztier versehen – und meint damit den finanziellen Nutzen. Hund, Katze und andere Kleintiere rechnet er den Haustieren zu. Sie sind fürs Emotionale zuständig, sollen Schmusetier fürs Kind und Trosttier für Alte sein. Wobei sich auch dieses Segment durchaus kommerziell rechnet.

Die Tiere müssten vor den Menschen fliehen

Wie aber ist es überhaupt zur Annäherung zwischen Mensch und Tier gekommen, wo doch angesichts der zu lebenden Eier-, Fleisch- oder Milchmaschinen umfunktionierten Tiere „alles, was Beine zu laufen hat oder Flügel zu fliegen, das Weite suchen sollte, wo sich Menschen blicken lassen“, fragt Reichholf – und bietet Antworten. Offenkundig sind der Mensch und die Tiere, die er domestiziert hat, einander in der Zeit extrem nahe gekommen, als der Mensch sesshaft wurde und anfing, Ackerbau zu betreiben. Nahezu alle Haustiere, schreibt Reichholf, stammen aus den geografischen Räumen, in denen der Mensch sesshaft wurde. Hier baute er die Getreidesorten an, die Wildschafe, -ziegen und -schweine lockten, Letztere auch insbesondere wegen der übrigen organischen Abfälle des Menschen.Reichholf ist überzeugt, dass nicht der Mensch sich die Tiere untertan gemacht hat, sondern dass „die Vorfahren der Haustiere sich von sich aus in Gefangenschaft begeben haben“. Bereits vor der Sesshaftwerdung des Menschen habe der Wolf sich selbst domestiziert, weil dadurch Reste der Nahrung des Menschen für ihn abfielen. Am besten erging es den Wölfen, die über Generationen lernten, in den Gesichtern der Menschen zu lesen und Menschen in ihre Sozialbeziehungen einzubeziehen. Sie sonderten sich selbst von ihren frei lebenden Artgenossen ab. Auch die Zuwendung der als stolz und unabhängig geltenden Katze zum Menschen begann mit dem Ackerbau. Katzen übernahmen die Rolle des Mäusejägers in den Getreidespeichern. Mit dem Einsatz von Gift vor etwa einem Jahrhundert, so argumentiert Reichholf, verschieben sich die Gewichte. Der Mensch versorgt die Katze mit Nahrung, sie belohnt das mit ihrer – wenn auch verhaltenen – Anhänglichkeit.

Der Wolf hat sich selbst dem Menschen zugewandt

Grundsätzlich gelte, dass sich die Tiere, die in Gruppen mit einem starken Anführer leben, am stärksten mit dem Menschen verbunden haben. Eine Rolle, in die der Mensch schlüpfen konnte. Begünstigt wurde die Anbindung des Wildtieres an den Menschen auch, wenn die Zeit bis zur Selbstständigkeit länger dauerte, der Mensch Mutter- oder Vaterrolle übernehmen konnte. Dass der den Schweinen eine zusätzliche Rippe und aus dem Rind eine 10 000-Liter-Turbokuh züchten würde, konnten die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.