SB-Waschsalons, in denen man selbst die Maschine anwirft, sterben jenseits der Innenstadt von Stuttgart aus. In Stuttgart-Vaihingen gibt es noch einen. Besuch an einem Ort, an dem gewissermaßen die Zeit stehengeblieben ist.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Vaihingen - Es ist nur eine Treppenstufe bis in die Vergangenheit. Tür zu, und schon füllt sich die Nase mit der Erinnerung an Omas Waschküche. In dem Raum reiht sich Waschmaschine an Waschmaschine. An den Seiten stehen Körbe voller Textilwust, daneben ein paar Plastikstühle, auf denen keiner sitzt. Willkommen in einem Relikt.

 

Heike Hörrmann steht am Tisch an der Mangel und faltet wie ein Roboter Tischdecken, besprüht sie mit Wasser, legt sie zusammen und sprüht wieder. Den lieben langen Tag geht das so. Das Radio dudelt. „Ich habe Geschäft genug“, sagt sie. Deshalb will sie auch erst nicht erzählen. „Ich habe wirklich keine Zeit.“ Doch ähnlich wie ihre Laken, denen sie mit der Sprühdose die Härte nimmt, damit sie sich nach zwei Tagen gefaltet in Plastiksäcken gut mangeln lassen, wird sie doch weich.

Heike Hörrmann ist seit rund 15 Jahren die Betreiberin eines Waschsalons an der Robert-Leicht-Straße in Stuttgart-Vaihingen. Und es spricht vieles dafür, dass es der letzte seiner Art auf der Filderebene ist. Ein SB-Salon, also einer, in den man zu den Öffnungszeiten hereinschneit, seine Dreckwäsche selbst in eine der Maschinen stopft und nach einer Stunde wieder mit heim nimmt. Ihr Hauptgeschäft ist aber längst ein anderes: Laken, Tischdecken und Bettzeug für Privatleute oder Gasthäuser zu mangeln. „Heutzutage hat ja jeder eine Waschmaschine“, erklärt die 58-jährige Heike Hörrmann die schwindende Nachfrage.

Die meisten überbrücken die Wartezeit mit Shopping

Doch es gibt noch ein paar, jede Woche vielleicht eine Handvoll, manchmal mehr, die ihre Wäsche hier in die Trommeln laden. Es sind ältere Semester, die sich keine eigene Maschine mehr anschaffen möchten. Oder Studenten und Touristen. Auf die Plastikstühle setzt sich dann allerdings wirklich keiner mehr, um seinen Hemden, Hosen und Leibchen bei den Umdrehungen zuzuschauen oder ein Buch zu lesen. Die meisten, sagt Heike Hörrmann, gehen rüber in die Schwabengalerie und überbrücken die Wartezeit beim Shopping. Ihr ist das nicht unrecht, dann kann sie den Waschsalon mit ihrer Mangel rücksichtslos einnebeln.

Wer bei Heike Hörrmann nicht nur waschen, sondern auch trocknen will, kommt mit Euros nicht weit. Hier ist die Zeit stehen geblieben, die Maschinen wollen mit D-Mark gefüttert werden. Und weil die Währung von gestern bei so gut wie keinem mehr im Portemonnaie klimpert, hat Heike Hörrmann ein Häufchen Mark-Stücke neben den Geldschlitz gelegt. Als sie das zeigt, muss sie selbst lachen. Von den zwölf Maschinen ist die Hälfte kaputt, sie auszutauschen, lohnt sich nicht, sagt die Hausherrin. Sie sind ja eh nicht mehr alle gleichzeitig in Betrieb.

Die Zahl der Wäschereien und Reinigungen in Deutschland sinkt

Nicht nur SB-Waschsalons wie jener an der Robert-Leicht-Straße sind eine aussterbende Art. Laut Statista deutet für die gesamte Branche der Reinigungen und Wäschereien die Kurve nach unten. Gab es 2002 in Deutschland noch 7829 Unternehmen im Wäscherei- und Reinigungsgewerbe, waren es im Jahr 2017 noch 4918.

Das Ökoinstitut hat sich für eine Studie vor ein paar Jahren ausgiebig mit Waschsalons befasst. Daraus geht hervor, dass öffentliche Waschanlagen etwa so alt sind wie die Waschmaschine. Beides kam Ende des 19. Jahrhunderts auf. Die Maschinen wurden anfangs noch von Hand in Gang gesetzt. Die ersten elektronisch betriebenen Waschtrommeln kamen in den 1920er Jahren auf den Markt. Weil sich die breite Masse zunächst keine eigene Maschine leisten konnte, wusch man lange Jahre öffentlich. In den 1980er Jahren dürfte dann aber in 90 Prozent der Haushalte eine Waschmaschine geschleudert haben.

Es gibt sogar einen Erlebnis-Waschsalon

Heute gibt es schwankenden Schätzungen zufolge 300 bis 700 SB-Waschsalons, meist in Großstädten. Sie sind eine Nische, einige haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht. Zum Beispiel indem sie Kaffee anbieten oder sich gleich Erlebnis-Waschsalon nennen, so ist in Nürnberg nicht nur ein Café, sondern auch ein Museum dabei. In anderen vertreiben Fernseher oder CD-Player die Langeweile.

Heike Hörrmann macht die modernen Trends nicht mit. Bei ihr bleibt alles beim Alten. Was es bei ihr aber extra gibt, ist Herz. Das zeigt sich, als eine alte Dame vor dem Fenster auftaucht. Heike Hörrmann läuft raus und nimmt die Wäschetüte. Die Stufe sei nicht ohne, sagt sie, als sie zurückkommt. Stimmt, es ist immerhin die Stufe in die Vergangenheit.