Wasen-Nostalgie: Autorin erinnert sich „Wir sind damals in Jeans und Shirt ins Bierzelt“

Auf dem Wasen grasen Hasen. Auf diesem Bild allerdings nur in Form eines Luftballons. Foto: Familien-Archiv Simoncev

Die Fotoalben unserer Autorin geben preis: Die Feste auf dem Cannstatter Wasen spielten in ihrem Leben immer eine besondere Rolle. Kuscheltiere aus dem Greifautomaten hat sie zwar keine mehr zu Hause, dafür aber ein paar gute Geschichten auf Lager.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Ja, schon irre, wenn einem plötzlich wieder Dinge einfallen – aus der Kindheit, den Teenager-Jahren und auch aus dem Hier und Jetzt. Der Cannstatter Wasen beziehungsweise das Frühlings- oder Volksfest spaltet die Gemüter hier im Kessel bis zum Anschlag. Die einen lieben den Rummel, die anderen finden es schrecklich as hell.

 

Ich denke mir immer: Jede:r so wie sie:er will. Aber ja, auch ich ertappe mich beim Judgen. Wer zurzeit S-Bahn fährt und dann diese verkleideten, äh sorry, Menschen in Tracht sieht, der kann ja auch fast nicht anders. Aber eigentlich ist mir das alles ziemlich egal. Sollen sie halt machen, ist ja auch nicht total unpassend. War halt nur früher nicht so. Aber keine Panik, ich komme jetzt nicht mit dem Satz um die Ecke: Früher war alles besser. Manches war anders – und das ist auch gut so. Oder es ist gut so, dass es jetzt nicht mehr so ist. Kann man sehen wie man will, gell!?!

In Jeans und Shirt ins Bierzelt

Ich erinnere mich an meine Teenager-Zeit. Da war der Wasen von Freitag bis Sonntag Pflichtprogramm, natürlich vor allem der Besuch der Bierzelte. Endlich war man alt genug, um Party zu machen, auf den Bänken zu tanzen und ja, auch an der ein oder anderen Maß Bier zu nippen. Thema Dresscode: Wir kamen ganz „normal“ angezogen – also in Jeans und Shirt – um zu bleiben, zu feiern und zu schunkeln.

Das war ein Spaß! Die Lieder, die teilweise heute noch gespielt werden, Stichwort: Fürstenfeld, konnten wir auswendig. Wir sangen, tanzten, schwitzten – endlich hatte das Leben einen Sinn. Okay, wow. Aber so dachten wir damals eben. Später war der Wasen dann Warm-up-Location, bevor es in die Clubs der Stadt ging. Da wir keine Tracht trugen, war das Reinkommen kein Thema, außer man hatte seinen Ausweis vergessen.

Für Breakdance zu uncool

Ach ja, verrückt war das! Geliebt haben wir’s. Nur für Breakdance waren wir nicht cool genug oder um bei den Boxautos rumzustehen – das hatten wir uns nicht so getraut. Die Geisterbahn war übrigens auch nie so meins, dafür bin ich einfach zu schreckhaft und bei „Wilde Maus“ hatte ich echt Schiss, dass es mich bei der nächsten Kurve aus dem Sitz haut.

Mit dem Kettenkarussell kann man mich übrigens auch jagen, davon wird mir immer schlecht. Meiner Mutter übrigens auch, wie sie mich beim gemeinsamen Erinnern wissen lässt. Was Fahrgeschäfte anging, waren meine Lieblinge tatsächlich immer Wasser- und Achterbahn.

Übrigens noch eine ganze witzige Story, als ich mal mit meiner Ma – das machen wir auch heute noch – über den Wasen schlenderte. Da kam uns der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Schuster mit seiner Tochter entgegen. Er machte Werbung, um wiedergewählt zu werden und drückte meiner Mutter einen Flyer in die Hand. Dann schaute er mich an und fragte: „Und du, magsch ein paar Gummibärle?“ Damals war ich 30. Jahre. alt. Haha, wir lachen heute noch.

Mit dem Rad zum Riesenrad

Jetzt reist aber mal mit mir zurück in meine Kindheit: Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meinem Vater jedes Jahr von Untertürkheim zum Wasen geradelt bin – nicht gerade die schönste Fahrradstrecke rund um den Kessel, wenn ihr mich fragt. Aber egal, wir hatten tatsächlich auch irgendwann feste Rituale in Sachen Frühlings-/Volksfest, die Kinder übrigens sehr zu schätzen wissen. Das weiß ich spätestens, seit ich selbst Mama geworden bin.

Naja, auf jeden Fall parkten wir unsere Bikes immer hinter den Bierzelten – ja genau, dort, wo abends alle hinpinkeln oder sonst was machen. (Aber da ist eben gleich der Neckar, der uns wieder nach Hause führen sollte.) Dann wurde erstmal über den Wasen flaniert, am liebsten mit einer Tüte Magenbrot oder einem Spieß Schokofrüchte oooooder Zuckerwatte in der Hand. Yummy!

Ergriffen am Greifarm

Bis wir uns beim Greifautomaten wiederfanden. Und das war tatsächlich immer wieder aufs Neue mein absolutes Highlight. Keine Ahnung, was das damals gekostet hat, aber eine Münze nach der anderen landete in dem Gerät, das mir ein Kuscheltier nach dem anderen bescheren sollte. So zumindest die Wunschvorstellung.

Mein Pa bewies tatsächlich ein geschicktes Händchen und ich konnte mich so über einige neue Lieblingsteddys freuen. Für alle, die den Greifautomaten nicht kennen, hier eine kurze Bedienungsanleitung: Über einen Joystick lenkt man den Greifarm. Dieser fährt vor, der Knopf bleibt gedrückt, dann wird er positioniert, man lässt den Knopf los, der Arm fährt runter und greift nach den Kuscheltieren. Im besten Fall hat er eines erwischt und kommt damit wieder hoch- und zurückgefahren. Nicht selten kam es aber auch vor, dass das Plüschtierchen nur am Ohr dranhing und auf dem Weg zurück rausrutschte. Nervenkitzel pur!

An anderen Automaten sah die Situation ähnlich dramatisch aus. Da war zum Beispiel dieses Pärchen, das ich bis heute nicht vergessen habe. Ich vermute, sie hatten ihr erstes Date und er wollte ihr unbedingt so ein süßes Plüschhäschen „ergreifen“. Aber leider griff der Greifarm immer wieder ins Leere. Ihm wurde es immer peinlicher, weil es nicht klappte, ihr immer unangenehmer, weil er nicht aufhörte. Was für ein Drama, haha, und wie ich mitgelitten habe. Das war richtig ergreifend, um beim Thema zu bleiben. Wahnsinn.

Erinnerungen, die für immer bleiben!

Ach ja, und da war noch was mit der Achterbahn. Ich weiß noch, wie ich bei irgendeinem Volksfestbesuch in meiner Kindheit unbedingt Wasserbahn fahren wollte. Als ich meinen Vater fragte, ob er mitfährt, kam von ihm: „Ich fahre nur mit dir Wasserbahn, wenn du mit mir Achterbahn fährst.“

Natürlich, das weiß ich jetzt, dachte er sich: Das macht sie nie im Leben. Ich wollte das aber – und da hat mich mein Pa unterschätzt – so sehr, dass ich zustimmte. Meinem Vater wurde, nicht nur beim Gedanken daran, ganz anders. Denn auf Achterbahnfahren hatte er tatsächlich noch weniger Lust als aufs Wasserbahnfahren, aber er konnte natürlich auch keinen Rückzieher machen. Wir hatten das Ganze schließlich mit einem Handschlag besiegelt.

Und als wir uns dann kreidebleich auf den Heimweg machten und uns mit weichen Knien und erfülltem Herzen (ich zumindest, mein Vater eher mit flauem Magen) auf unsere Räder geschwungen hatten, fuhren wir lachend zurück und wussten: Diese Erinnerungen bleiben für immer!

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