Das Festgelände wurde am 3. Oktober wegen Überfüllung gesperrt. Zu Recht? Eine Auswertung von Mobilfunkdaten liefert nun neue Erkenntnisse.

Digital Desk: Chiara Sterk (chi)

 „Achtung, Achtung, dies ist eine Durchsage der Polizei“, ertönt es am Freitagabend, dem Tag der Deutschen Einheit auf dem Cannstatter Wasen aus Lautsprechern. „Das Wasengelände bleibt für die nächsten Stunden geschlossen, bitte gehen Sie nach Hause.“ Schulter an Schulter versuchen Polizei und Sicherheitsdienste die vielen Besucher an den Eingängen zum Volksfest zurückzuhalten, die U11-Haltestelle „Cannstatter Wasen“ ist abgeriegelt.

 

Haben die Sicherheitskräfte am Nationalfeiertag Schlimmeres verhindert? Oder war die Sperrung unnötig, wie hinterher im Netz unter Verweis auf das nicht überfüllt wirkende Festgelände kritisiert wurde? Mobilfunkdaten des Netzbetreibers Vodafone liefern eine Annäherung, wie viele Menschen sich tatsächlich in dem Bereich aufhielten. Bislang ist lediglich bekannt, dass „die Maximalkapazität von 75 300 am Abend erreicht“ war, wie die Veranstalter tags darauf schrieben.

Im Datensatz erfasst sind Handys, die länger als eine halbe Stunde in der Vodafone-Funkzelle beim Wasen eingebucht waren. Vodafone hat die Werte auf Grundlage des eigenen Marktanteils von rund 20 Prozent hochgerechnet. Demnach haben sich zwischen 16 und 18 Uhr gut 90 000 Menschen am 3. Oktober jeweils gleichzeitig auf dem oder in der Nähe des Cannstatter Wasen aufgehalten. Zu den rund 75 000 Wasen-Besuchern kamen also nochmals rund 15 000 Personen rund um das Gelände.

Insgesamt waren es laut Vodafone doppelt so viele Menschen wie am ersten Volksfest-Freitag (26. September) mit geschätzt 50 000 Personen. Zudem erfasste Vodafone am 3. Oktober den höchsten Datenverkehr, „seit es dort ein Mobilfunknetz von Vodafone gibt“, so der Pressesprecher Helge Buchheister.


Dass daraus „nur“ eine gut einstündige Sperrung ohne Zwischenfälle auf oder vor dem Volksfestgelände folgte, liegt laut der Veranstaltungsfirma in.Stuttgart an dem Sicherheitskonzept. „Es hat gut funktioniert“, resümiert Stefanie Hirrle: „Ab einem bestimmten ‚Füllstand’ werden präventiv Maßnahmen eingeleitet“.

Zur Zeit der Sperrung waren noch etwa 72 000 Menschen auf dem Gelände

Dank mehrerer Kameras wissen Veranstalter und Polizei, wie viele Menschen sich auf dem Gelände aufhalten. Ähnlich wichtig ist der Zustrom zum Volksfest. Hierzu nennen weder Hirrle noch eine Sprecherin der für Busse und Bahnen zuständigen SSB konkrete Zahlen. Jedoch wurden Fahrgäste schon am Nachmittag des 3. Oktober auf die sehr hohen Besucherzahlen hingewiesen. Außerdem beschlossen Veranstalter und Behörden bereits gegen 16 Uhr, Ein- und Ausgänge als Einbahnstraßen zu regeln und die Stadtbahn fuhr die Haltestelle „Cannstatter Wasen“ nicht mehr an. Die Vodafone-Daten zeigen, dass die Zahl der Menschen auf dem oder rund ums Volksfest dadurch nicht sofort, aber von 18 Uhr an zurückging.

Auf dem Gelände selbst waren zur Zeit der Sperrung gegen 20 Uhr laut in.Stuttgart noch etwa 72 000 Besucher. Dies kann so gedeutet werden, dass vor der Sperrung tatsächlich weniger Menschen Richtung Volksfest strömten oder sofort wieder umdrehten – aber auch kaum jemand, der schon drin war, das Gelände verließ.

Das Sicherheitskonzept hat also funktioniert – wenngleich auf Kosten derer, die zu spät reinwollten sowie einiger Schausteller. „Wir sind schon seit einer Stunde hier und haben für Bändchen im Bierzelt bezahlt, aber können nicht rein“, sagte ein Besucher aus Leeds. Während der Brite es mit Humor nahm, zeigten manche ihre Wut und Frustration den Einsatzkräften ganz offen.

Hunderte Besucher kamen am Feiertag nicht mehr auf den Wasen – weil der wegen Überfüllung gesperrt werden musste. Foto: Fotoagentur Stuttgart/Andreas Rosar

Zu dem Sicherheitskonzept zählt auch, dass „der Platz nicht überfüllt sein muss, wenn die Maximalkapazität erreicht ist“, so Stefanie Hirrle von in.Stuttgart. Der Fotograf Andreas Rosar schildert es detailliert: „Am Ausgang bei der Fruchtsäule war es wirklich sehr voll, auch wenn man noch durchlaufen konnte. Aber schon ein paar Meter weiter bei den Schießbuden war kaum was los.“

Der 3. Oktober verlief zum Glück ohne Massenpanik oder Verletzte. Denn neben der Zahl der Besuchenden auf dem Festgelände ist es für die Sicherheit auch entscheidend, dass viele von ihnen über Ausgänge und Fluchtwege wieder wegkommen. Den besten Beweis aber, dass Stuttgart richtig gehandelt hat, lieferte laut einer abschließenden Bewertung des Cannstatter Volksfests mit der Presse ausgerechnet München: Dort will man künftig vom Stuttgarter Sicherheitskonzept lernen. In.Stuttgart zufolge interessiere sich die Wiesn dafür, wie der Reservierungswechsel in den Stuttgarter Zelten geregelt sei – vermutlich um den in München starren Wechsel zeitlich zu entzerren, wie es in Stuttgart bereits praktiziert wird.

Besucherzahlen

Mobilfunkdaten
Bei den von für diesen Beitrag verwendeten Zahlen handelt es sich um anonyme und aggregierte Mobilfunkdaten des Netzbetreibers Vodafone. Sie wurden auf Grundlage des Vodafone-Marktanteils in Stuttgart (20%) hochgerechnet. Es können also keine Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden und bei den Zahlen handelt es sich nicht allein um Vodafone-Kunden. Die Daten zeigen die stündlichen Besucherzahlen zu bestimmten Zeitpunkten. Erfasst werden nur Mobiltelefone, die mindestens eine halbe Stunde im Umfeld des Cannstatter Wasen in Betrieb waren.

Grenzen
Die Zahlen sind nicht ganz exakt, etwa weil entlang des Wasengeländes zwei stark befahrene Straßen verlaufen und sich in unmittelbarer Nähe zwei U-Bahn-Stationen befinden. Die rund 18 000 Konzertbesucher (Schleyerhalle und Porsche-Arena) sind aus den Zahlen vom 3. Oktober jedoch größtenteils herausgerechnet.