Am Lauterwehr in Wendlingen wird kein Wasserkraftwerk gebaut. Die Stadt verabschiedet sich von der Idee vor allem aus ökologischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. Der Sinn kleiner Kraftwerke wird in Frage gestellt.

Wendlingen - Es wird nun doch keinen Aufstautest am Lauterwehr in Wendlingen geben. Mit diesem Versuch hatte die Stadt zunächst testen wollen, welche Folgen der angedachte Bau eines kleinen Wasserkraftwerks an dem Gewässer für Fische und andere Wasserlebewesen haben würde. Indem der Gemeinderat diesen Probelauf ad acta legt, beerdigt er gleichzeitig auch die Kraftwerkspläne.

 

Die Trockenheit im Sommer stoppt den Aufstautest

Selbst bei der Fraktion der Grünen, die bislang zu den Befürwortern der Wasserkraftnutzung an dieser Stelle des Bachs zählten, mehrten sich zuletzt die Zweifel. Das geplante Aufstauen des Wassers musste im vergangenen Sommer wegen der anhaltenden Trockenheit mehrfach verschoben werden. Zudem wuchs die Sorge, dass eine aufgestaute Lauter negative Auswirkungen auf die Gewässerökologie haben könnte. Schließlich entschied das Gremium nun einstimmig, auf den Bau eines Kraftwerks mit Fischaufstiegshilfe zu verzichten, das Wehr abzureißen und eine raue Rampe zu bauen, mit der die von der EU geforderte ökologische Durchgängigkeit des Fließgewässers hergestellt wird.

Bei der Entscheidung haben zudem auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle gespielt. Ein Planungsbüro hatte ausgerechnet, dass bei einer Jahresstromerzeugung von 310 000 Kilowattstunden 77 Haushalte mit jeweils vier Personen versorgt werden könnten. Die Amortisationsdauer wurde mit rund 46 Jahren angesetzt. Für ein Kraftwerk dieser Größe hätte Wendlingen beim Land einen Zuschuss aus dem Programm für die kleine Wasserkraft beantragen können. Bei einer Förderung von 200 000 Euro hätte sich das Projekt zwar früher amortisiert, rentabel wäre es aber dennoch nicht geworden.

Fische verschwinden wegen Sauerstoffarmut

Das 2014 eingestellte und drei Jahre später wieder aufgenommene Programm zielt auf die Stromerzeugung aus regenerativer Quelle. Dabei können laut dem baden-württembergischen Umweltministerium „insbesondere bei der Nutzung der kleinen Wasserkraft Konfliktbereiche mit der Gewässerökologie und der Fischerei entstehen“. Das Ziel müsse es jedoch sein, den Ausbau der erneuerbaren Energien und gewässerökologische Verbesserungen „so weit wie möglich in Einklang zu bringen“. heißt es in einer Mitteilung des Hauses.

Dass dieser Spagat gelingen kann, stellt Hans-Peter Sieg indessen in Frage. Der Geschäftsführer des Wasserverbands Rems begrüßt die Entscheidung in Wendlingen und würde sich Gleiches auch für Rems und Murr wünschen. Durch niedriges Gefälle seien bei diesen Gewässern für die Wasserkraftnutzung lange Einstauflächen notwendig. Durch den Rückstau bilde sich Schlick und Schlamm. „Die Gewässergüte verschlechtert sich.“ Durch Sauerstoffarmut würden höherwertige Fische wie Äsche und Forelle verdrängt. Unter dem Strich ist für Sieg der Schaden durch die kleine Wasserkraft größer als der Nutzen.

90 Prozent des Stroms erzeugen die großen Kraftwerke

„Die Politik muss sich da ändern“, so Siegs Fazit, der auch Folgendes zu bedenken gibt: Rund 1700 Wasserkraftanlagen gibt es im Land. Die 65 großen mit einer Leistung ab einem Megawatt produzieren etwa 90 Prozent der Strommenge aus Wasserkraft. Die kleinen erzeugen hingegen nur einen Anteil von zehn Prozent. „Das sind mehr oder weniger Spiel- und Hobbyanlagen“, sagt Hans-Peter Sieg.

Die Neckar AG, die zu rund 80 Prozent zur EnBW gehört, hat am Neckar 24 von 29 Kraftwerken. Der EnBW gehören drei (Untertürkheim, Marbach und Hofen). Insgesamt werden am schiffbaren Neckar 540 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt. Das entspricht etwa dem Jahresverbrauch von rund 330 000 Menschen.