Das Wasserkraftwerk in Rheinfelden hat als erstes deutsches Objekt eine weltweit hoch angesehene Auszeichnung bekommen, die die technische Pionierleistung der Anlage dokumentieren soll. Sie wurde allerdings vor Jahren bereits abgerissen.

Rheinfelden - Es gibt Auszeichnungen, die viel zu spät kommen. Die Ehrung durch das Institute of Electrical und Electronics Engineers (IEEE) ist so ein Preis. Der weltgrößte Verband von Elektro- und Elektronikingenieuren mit 400 000 Mitgliedern hat das Rheinkraftwerk in Rheinfelden jetzt für seine Pionierleistungen im frühen Stromzeitalter mit einem „Milestone“ gewürdigt. Die Auszeichnung ist erstmals an eine deutsche Einrichtung verliehen worden und wird als gleichbedeutend mit dem Rang eines Unesco-Weltkulturerbes oder mit einem Nobelpreis gesehen.

 

Den Meilenstein aber gibt es nicht mehr. Ende 2010 machten Abrissbirne und Bagger dem frühen Zeugnis der internationalen Industriegeschichte den Garaus – allen Einwänden von Denkmalschützern, Architekten und Industriehistorikern zum Trotz. Auch die Proteste von deutsch-schweizerischen Bürgerinitiativen konnten nichts bewirken. Da die industriehistorische Bedeutung nie rechtsverbindlich festgestellt und ein Planfeststellungsbeschluss schon gefasst war, musste das 1898 in Betrieb gegangene Kraftwerk einem 380 Millionen Euro teuren Neubau weichen.

Den Flusslauf geändert

Die Betreiberin Energiedienst AG hatte nach 90 Jahren einen Neubau gefordert, um statt wie bisher 185 Kilowattstunden im Jahr nunmehr 600 Millionen Kilowattstunden erzeugen zu können. Dafür musste auch der Flusslauf geändert und eine einmaligen Felsformation zerstört werden. Vor allem aber wurde ein einzigartiges Denkmal der Industriegeschichte platt gemacht. Rheinfelden war mit einer Leistung von 12 500 Kilowattstunden und 20 Maschineneinsätzen das größte Laufwasserkraftwerk seiner Zeit. Es galt als Pionier für den Dreiphasenwechselstrom, der sich von hier aus weltweit durchsetzte, ebenso wie die Festlegung auf die 50 Hertz-Frequenz, die in den meisten Ländern zur Norm wurde. Rheinfelden war auch die Urzelle des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes, da von der deutsch-schweizerischen Grenze aus erstmals mehrere Kraftwerke miteinander verknüpft wurden.

Als die Einwände und Proteste der Zerstörungsgegner der Energiedienst noch im Weg gestanden hatten, hatte das Unternehmen keinen Versuch ausgelassen, diese anerkannten Verdienste klein zu reden. Nun, kaum vier Jahre, da das Werk der Zerstörung vollständig vollbracht worden ist, hat sie kein Problem damit, sich feiern zu lassen. Man sei „stolz“, wenn das Kraftwerk nun mit wichtigen technischen Errungenschaften wie dem europäischen Großforschungsanlage Cern in Genf, der elektronischen Quarz Armbanduhr und dem Audio Compact Disc Player in einem Zusammenhang genannt werde, lässt sich Vorstandschef Martin Steiger zitieren. Es sei „damals wie heute“ eine „spannende Zeit“ gewesen, wo „mutige unternehmerische Entscheidungen“ getroffen werden mussten, versucht Steiger den Abriss zu relativieren.

Ein Infohäuschen bleibt

Zu der Ehre ist die Energiedienst überdies unverdient gekommen. Die hat sie ausgerechnet der Bürgerinitiative Pro Steg zu verdanken, die das Verfahren eingeleitet und betreut hatte. Die deutsch-schweizer Aktivisten haben auch darauf gedrungen, dass wenigstens der versprochene Ausstellungspavillion nebst einem neuen Rheinuferweg noch gemacht wird; den haben inzwischen schon 40 000 Menschen besucht.

Unweit der Abrissstelle steht als Erinnerung an das alte Kraftwerk ein Infohäuschen, das eine restaurierte Turbine von 1898 zeigt, quasi die Urzelle für den weltweiten Stromverbund. Die Turbine hatte die Firma ursprünglich sandstrahlen und aufschneiden lassen wollen. Das hatten die Bürger gerade noch verhindern können. Sonst wäre auch dieses Stück Technikgeschichte für immer zerstört worden.