Wassermangel in Baden-Württemberg Dürre: Wie entwickelt sich der Wasserpreis?

Viele Kommunen wollen Mitglied bei der Bodenseewasserversorgung werden – aber alle Anfragen werden derzeit abgelehnt. Foto: Wolfgram Otlinghausen/Bodenseewasserversorgung

Trinkwasser ist immer noch ein sehr günstiges Lebensmittel – im Südwesten kosten 1000 Liter im Schnitt 3,03 Euro. Doch der Klimawandel führt zu Trockenheit. Und manche Länder denken daher bereits über ganz neue Preismodelle nach.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Viele Menschen winken ungläubig ab, wenn man von einem drohenden Wassermangel in Baden-Württemberg spricht: Wir haben doch den Bodensee, heißt es dann oft. Tatsächlich ist der Südwesten besser dran als der Rest Deutschlands, nicht nur wegen des Bodensees, sondern auch wegen der höheren Niederschläge. Der renommierte Umweltforscher Karsten Rinke vom Helmholtz-Zentrum sagt sogar, das Land sei noch eine Insel der Seligen.

 

Die Betonung liegt aber auf „noch“. Eine Studie der Landesanstalt für Umwelt in Karlsruhe kam 2021 zu dem Ergebnis, dass seit der Jahrtausendwende das Reservoir an Grundwasser um 18 Prozent zurückgegangen ist im Vergleich zu den Jahren 1971 bis 2000. Zudem zeigt der erste Zwischenbericht des Masterplans Wasserversorgung, den die Landesregierung derzeit erstellt, eindrücklich: Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Kommunen und Wasserversorger dürfte es bis 2050 während längerer Trockenperioden zu Wasserdefiziten kommen.

Die Bezugsrechte für Wasser aus dem Bodensee sind begrenzt

Zudem gilt es zu bedenken, dass der Bodensee zwar beinahe unendlich groß scheinen mag – die Wasserrechte der Bodenseewasserversorgung (BWV) aber sind begrenzt. Täglich dürfen maximal 670 000 Kubikmeter entnommen werden, und an rund 20 Tagen im Jahr bewege man sich schon in Richtung dieser Grenze, betont der Technische Geschäftsführer Christoph Jeromin. Seit 2017 hätten 65 Kommunen bei der Bodenseewasserversorgung angefragt, ob sie neu als Mitglied aufgenommen werden oder ob sie ihre bestehenden Bezugsmengen erhöhen dürften. Alle erhielten eine Absage, weil die BWV ihren Mitgliedern garantiert, dass sie jederzeit ihre maximale Quote ausschöpfen können. Im Jahresmittel werden allerdings nur knapp 60 Prozent der möglichen Wassermenge benötigt.

Auf jeden Fall muss sich auch Baden-Württemberg Gedanken machen, wie man Wasser sparen könnte. Ansätze gibt es viele. In sehr trockenen Sommern stellen jetzt schon Landkreise und Kommunen Allgemeinverfügungen auf, die es untersagen, den Rasen zu sprengen, das Auto zu waschen oder den Pool zu befüllen. In diesem Jahr waren dies laut Landesumweltministerium bereits die Hälfte aller Landkreise. Langfristig muss das Leitungsnetz noch besser saniert werden, um Verluste zu minimieren. Es geht darum, das Abwasser aus Kläranlagen und das Regenwasser von den Dächern besser zu nutzen – bisher fließt dies alles in die Flüsse und weg ins Meer. Die Landwirtschaft muss auf Tröpfchenbewässerung umsteigen.

Ein Hebel aber wird auch der Preis fürs Trinkwasser sein. Da werden es die Bürgerinnen und Bürger direkt spüren.

Schon im vergangenen Jahr ist das Trinkwasser im Schnitt um knapp neun Prozent teurer geworden, vor allem wegen der hohen Energiepreise. Das geht aus einer Aufstellung der Energiekartellbehörde hervor, die allerdings nur die privaten Versorger kontrolliert; dazu gehören aber viele Stadtwerke im Land. Bei einer Menge von jährlich 150 Kubikmetern (das entspricht dem Verbrauch einer Familie) liegt der Preis pro Kubikmeter im Schnitt bei 3,03 Euro. 2009 lag der durchschnittliche Wasserpreis noch bei 1,88 Euro. Die Investitionen in eine klimaneutrale Versorgung gehört dabei zu den – allerdings nicht vorrangigen – Faktoren, die den Preis erhöhen.

Einen besonderen Weg geht der Wasserverband WSE in Strausberg in Brandenburg. Dort hat sich der Wasserverbrauch der Kunden zuletzt im Sommer um das Dreifache der Wintermenge erhöht, weil die Menschen den Garten sprengen oder ihre Schwimmbecken befüllen. Der Verband hat deshalb mit Firmen und Haushalten Höchstgrenzen vertraglich vereinbart, auch mit Tesla, dessen Fabrik in Grünheide im Versorgungsgebiet von WSE liegt. Privatleute sollen demnach nur noch 34 Kubikmeter pro Jahr verbrauchen, das liegt etwas unter der durchschnittlichen Menge von 125 Litern pro Tag und Kopf. Wer deutlich darüber liegt, könnte mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Das sei aber gar nicht die Absicht, betont WSE-Sprecherin Sandra Ponesky – vielmehr sollen die Menschen sensibilisiert werden, weniger Wasser zu verbrauchen. Vorerst müsse auch niemand befürchten, dass aus dem Hahn kein Wasser mehr kommt.

Die „Komfortnutzung“ von Wasser soll teurer werden

Frankreich hat sich ebenfalls ein neues Preismodell überlegt. Im März hat Präsident Emmanuel Macron dies medienwirksam vor einem leeren Stausee in den französischen Alpen verkündet. Die ersten Kubikmeter, die jeder Mensch zum Kochen, Trinken und Duschen brauche, sollen günstig sein, „ein moderater Preis, nahe am Selbstkostenpreis“, sagte Macron. Alles über den Grundbedarf hinaus werde deutlich teurer sein. „Komfortnutzungen“ nannte der Präsident das. In Frankreich ist die Lage deutlich prekärer als im deutschen Südwesten: Im vergangenen Jahr hatten dort 2000 Kommunen einen teils erheblichen Wassermangel. Bis 2050 könnte die Wassermenge um 30 bis 40 Prozent zurückgehen.

Könnte es solche Preismodelle auch in Deutschland geben? Grundsätzlich ja, weil die Versorger das Recht hätten, sie einzuführen – die Preispolitik sei nicht vorgeschrieben, sagt Steffen Becker, Sprecher des Umweltministeriums, sofern die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben eingehalten würden. Die Netze BW als Wasserversorger für Stuttgart plane solche Modelle aber derzeit nicht, betont der Technische Leiter Marcus Schaufuß, weil in der Landeshauptstadt der Verbrauch sogar moderat sinke und weil die Bezugsrechte bei BWV und Landeswasserversorgung so hoch seien, dass sie derzeit bei weitem nicht ausgeschöpft werden müssten. Zumindest hypothetisch sei es aber vorstellbar, etwa bei Großabnehmern ab bestimmten Mengen höhere Preise zu verlangen, um sie anzuhalten, sparsam mit dem Wasser umzugehen.

Landeswasserversorgung will „Überschreitungszuschläge“ verlangen

Im Verborgenen aber werden solche Preisprojekte schon sehr konkret. Bei der Landeswasserversorgung (LW), die drei Millionen Menschen im Südwesten mit Trinkwasser versorgt, wird derzeit das Preissystem für die abnehmenden Kommunen umgestellt. Bisher sei die Liefermenge einmal im Monat abgerechnet worden, sagt LW-Sprecher Bernhard Röhrle, künftig soll dies im Viertelstunden-Rhythmus geschehen. Dadurch werden Spitzenmengen, die über die vereinbarte Menge hinausgehen, plötzlich erfasst, während sie bisher im Monatsmittel unsichtbar blieben. Diese Spitzen werden künftig mit einem „Überschreitungszuschlag“ versehen: „Je nach Größe der Kommune kann es sich dabei um 40 000 bis 50 000 Euro an Mehrkosten handeln“, so Röhrle. Es ist wahrscheinlich, dass diese Kosten an die Kunden weitergegeben werden. So sollen die Kommunen jedenfalls angehalten werden, den Wasserverbrauch zu dämpfen oder zumindest ihre Behälter in Zeiten zu befüllen, in denen nicht alle mehr Wasser benötigen.

Im Übrigen geht es der LW wie der Bodenseewasserversorgung: Die Mitglieder des Zweckverbandes können ihre Abnahmemengen nicht mehr erhöhen. Vielmehr kämpft die LW gerade darum, ihre auslaufenden Wasserrechte zu verlängern und wäre froh, wenn das Land diese nicht kürzen würde. Denn sonst könnte künftig der Wassermangel zumindest an manchen Sommertagen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel werden.

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