Wasserstofftechnologie Brennstoffzelle – industrielle Produktion läuft an

Cellcentric-Chef Lars Johansson (im blauen Anzug) präsentiert die Brennstoffzelle. Foto: Ines Rudel/Ines Rudel

Cellcentric startet in Esslingen die Serienfertigung. In Weilheim soll Ende des Jahrzehnts die Massenproduktion einer neuen Brennstoffzellen-Generation beginnen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Es ist keine Selbstverständlichkeit. Gleich zwei Regierungsmitglieder – die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und ihre Kollegin aus dem Umweltressort, Thekla Walker – sind am Donnerstag nach Esslingen gekommen, um bei der Eröffnungsfeier für die Pilotfertigung von Brennstoffzellensystemen von Cellcentric, dem Joint Venture von Daimler Truck und Volvo, dabei zu sein.

 

Die Veranstaltung, zu der Cellcentric ins Gewerbegebiet Greenfield geladen hat, markiert einen, wie Cellcentric-Chef Lars Johansson es formuliert, „historischen Tag“ für das Unternehmen. Auch wenn das vielleicht etwas hoch gegriffen ist: Ein wichtiger Zwischenschritt hin zur Großproduktion von Brennstoffzellen für den Schwerlastverkehr ist er allemal.

Eine der größten Brennstoffzellen-Produktionsstätten Europas

Denn bekanntlich soll im rund 20 Kilometer süd-östlich gelegenen Weilheim (Kreis Esslingen) eine der größten Brennstoffzellen-Produktionsstätten in Europa entstehen. „Die heutige Eröffnung unserer Pilotfertigung in Esslingen stellt also nicht den Endpunkt der Großserienproduktion dar, sondern bildet die Blaupause für den nächsten Schritt“, sagt Johansson.

Für den Aufmarsch der landespolitischen Prominenz gibt es Gründe. Mit dem Cellcentric-Projekt verbindet sich die Hoffnung der Landesregierung, dass es doch noch gelingen könnte, die für den Transformationsprozess der heimischen Wirtschaft notwendigen Flächen selbst in der dicht besiedelten Region Stuttgart bereitstellen zu können. Die Weilheimer hatten bei einem Bürgerentscheid mit großer Mehrheit grünes Licht für die Cellcentric-Ansiedlung gegeben.

Schritt zur Industrialisierung der Brennstoffzelle

„Für mich ist das heute ein wichtiger Termin, ist er doch ein großer Schritt in Richtung Industrialisierung des Themas Brennstoffzelle“, betonte Thekla Walker. Wie Walker spricht auch Nicole Hoffmeister-Kraut von einem „Signal“: „Die Einweihung heute und die Pläne für Weilheim sind ein klares Bekenntnis zu unserem Land Baden-Württemberg. Darauf sind wir stolz.“

Noch ist Weilheim allerdings Zukunftsmusik. Aktuell beschäftigt die Akteure vor allem der geplante Grundstückskauf. Die Verhandlungen zwischen der Stadt und Cellcentric gestalten sich dabei wohl eher schwierig. Wie anders lässt es sich interpretieren, dass ein unterschriftsreifer Vertrag eigentlich Ende des ersten Quartals 2024 hätte vorliegen sollen, aber selbst jetzt, am Ende des zweiten Quartals, noch nicht existiert? Am Donnerstag zeigen sich zwar beide Verhandlungsseiten optimistisch. Einen Termin will aber niemand nennen.

Zur Forschung gesellt sich die Produktion

Zuletzt war also wenig aus Weilheim zu hören. So ist die Eröffnung in Esslingen ein willkommener Anlass für Cellcentric, sich mal wieder in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ganz neu ist das nun eingeweihte Esslinger Gebäude nicht mehr. Cellcentric hat es 2021 von Daimler übernommen. Neu ist hingegen sein Verwendungszweck. Ursprünglich sollte hier vor allem an der Brennstoffzelle geforscht werden und das Produkt zur Serienreife weiterentwickelt werden. Nun sollen dort zumindest in mittelgroßen Serien Brennstoffzellen der ersten Generation für Daimler- und Volvo-Wasserstofftrucks produziert werden.

Die Rahmenbedingungen für die Produktion von Brennstoffzellensystemen sind in Esslingen durchaus gut: Den mehr als 100 Esslinger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen rund 10 300 Quadratmeter Produktions- und Logistikfläche sowie Büro- und Verwaltungsräume zur Verfügung. Insgesamt beschäftigt Cellcentric weltweit 520 Menschen. Die meisten von ihnen arbeiten im Stammwerk im Kirchheimer Stadtteil Nabern. Aber auch in Kanada hat Cellcentric eine Dependance. Wenn voraussichtlich Ende des Jahrzehnts Cellcentric all seine europäischen Aktivitäten in Weilheim gebündelt hat, sollen dort bis zu 800 Arbeitsplätze angeboten werden.

In Weilheim wird für Europa und Nordamerika produziert

Ursprünglich wollte Cellcentric schon Anfang 2026 mit der Brennstoffzellenproduktion in Weilheim starten. Doch schnell zeichnete sich ab, dass sich das Großprojekt nicht so schnell wie gewünscht verwirklichen ließ. Die zeitliche Verzögerung nutzt Cellcentric nun, um die Pläne zu modifizieren. Wenn in Weilheim die Produktion startet, soll es dort nicht mehr um den Bau von Brennstoffzellen der ersten Generation gehen. Vielmehr soll dort sowohl für den europäischen als auch für den nordamerikanischen Markt die so genannte New-Gen, also bereits die nächste Generation der neuen Technologie, produziert werden.

Die hat Cellcentric jüngst auf einer Fachmesse in Las Vegas vorgestellt. Diese Brennstoffzellen sollen mehr als doppelt so viel Leistung produzieren wie die Modelle der ersten Generation, 20 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen, deutlich längere Strecken zurücklegen und schneller betankt werden können als die Vorgänger. Selbst in den amerikanischen Rocky Mountains sollen sie ohne Probleme mit der dieselgetriebenen Konkurrenz mithalten können.

Die nächste Generation der Brennstoffzelle

Leistungssteigerung
Ende des Jahrzehnts soll die nächste Generation der Brennstoffzelle in Großserie gehen. Mit einer kompakten Bauweise, einer Nettoleistung von mehr als 350 Kilowatt – das sind 200 Kilowatt mehr als die Zellen der ersten Generation - sowie einem geringen Gewicht – es wird zudem nur eine Brennstoffzelle pro Fahrzeug benötigt - soll das NextGen-System die Leistungsmerkmale vergleichbarer konventionell angetriebener amerikanischer Großtrucks erreichen.

Kraftstoffeinsparung
Gleichzeitig soll der Kraftstoffverbrauch um 20 Prozent gegenüber der aktuellen Brennstoffzellen-Generation BZA150 gesenkt werden. Dies wird auch durch eine Steigerung der Leistungsdichte um 30 Prozent im Vergleich zur aktuellen Generation ermöglicht. NextGen soll so Gesamtbetriebskosten vergleichbar mit denen dieselbetriebener amerikanischer Long-Haul-Trucks erreichen. hol

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