Die Landeswasserversorgung schlägt Alarm wegen steigender Nitratwerte. Doch die Bauern, die weniger düngen sollen, fühlen sich provoziert. Behörden und Politik verweisen auf bereits ergriffene oder geplante Gegenmaßnahmen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Presseinformation der Landeswasserversorgung (LW) las sich eigentlich nicht wie eine Provokation. Nüchtern und sachlich erläuterte der Zweckverband im vorigen Herbst, dass die Böden auf der Schwäbischen Alb nach kräftigen Niederschlägen nun „wassergesättigt“ seien. Daher bestehe die Gefahr, dass Gülle bei weiteren Regenfällen ins Grundwasser und somit ins Trinkwasser gelange. Die Konsequenz: Das eigentlich erst ab Anfang/Mitte November geltende Verbot, in Problembereichen Düngemittel oder Gülle auszubringen, greife daher „auf allen Flächen ab sofort“.

 

Die Adressaten fühlten sich gleichwohl provoziert, als die Meldung in Amtsblättern und Zeitungen erschien. Man verurteile das Vorgehen der LW „auf das Schärfste“, schrieb etwa der Kreisbauernverband Heidenheim an seine Mitglieder. „Wir Landwirte sind gut ausgebildet und brauchen nicht bevormundet zu werden.“ Sie wüssten selbst, wann ein Boden „wassergesättigt“ sei. In dem Rundbrief wurde sogar eine Parallele zu Tierschützern gezogen, die in Ställe einbrechen: „Auch das ist illegal und muss aufhören.“

Im Geruch der Amtsanmaßung

Aber auch aus Stuttgart erntete die Landeswasserversorgung Widerspruch. Das pauschale Verbot, keine Gülle mehr auszubringen, sei „weder rechtlich noch fachlich haltbar“, stellte das Agrarministerium von Alexander Bonde (Grüne) in einem Schreiben an die betroffenen Landratsämter klar. Zudem stehe es „nur den dafür zuständigen Behörden“ zu, Vorgaben zu machen, wie die Düngeordnung umzusetzen ist. Eine „angepasste Düngegabe“ sei weiterhin zulässig. „Düngen noch erlaubt“, so oder ähnlich lauteten prompt die Überschriften in der Lokalpresse. Der Wasserversorger geriet in den Geruch der Amtsanmaßung.

Die Kontroverse ist bezeichnend für das derzeitige Klima zwischen der LW auf der einen und den Bauern samt ihrem Ministerium auf der anderen Seite. Ausgetragen wird laut dem Verbandschef und Stuttgarter OB Fritz Kuhn (Grüne) ein „Zielkonflikt zwischen intensiver Landwirtschaft mit hohen Nitrat- und Pflanzenschutzmittelbelastungen . . . und der Trinkwassergewinnung mit strengen Grenzwerten in sensiblen Regionen“. Mit den bisherigen Werkzeugen, mahnte Kuhn in der jüngsten Verbandsversammlung, sei das Problem „nicht lösbar“. Vor allem im Wasserschutzgebiet Donauried-Hürbe zwischen Geislingen und Giengen, in dem die LW fast die Hälfte ihres Trinkwassers gewinnt, sei die vor allem durchs Düngen verursachte Nitratbelastung „vielfach immer noch zu hoch“. Noch besorgniserregender sei es, dass der Trend dort – entgegen den rückläufigen Durchschnittswerten im Land – sogar nach oben weise.

Sorge wegen steigender Nitratwerte

Noch liegen die Nitratwerte dort deutlich unter dem Grenzwert von 50 Milligramm je Liter. Doch die Spitzenbelastungen reichten schon gefährlich nahe heran, sagt ein LW-Sprecher, und das Problem werde sich durch den Wandel in der Landwirtschaft noch verschärfen: der Wettbewerbsdruck steige, kleine Betriebe gingen zunehmend in mittleren auf. Mittelfristig wolle man sich nicht darauf verlassen, die Grenzwerte durch Verdünnung mit weniger belastetem Donauwasser einzuhalten. Und wenn das Nitrat eines Tages mit teurer Technik aus dem Wasser entfernt werden müsste, bezahlten das letztlich die Kunden.

„Wir müssen an die Zukunft denken“, mahnt der Sprecher – und die gebe wenig Anlass zu Optimismus. Gut 25 Jahre nach dem Inkrafttreten der Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung (Schalvo), nach der Bauern für Beschränkungen in Wasserschutzgebieten entschädigt werden, sei das Nitratproblem im LW-Gebiet immer noch nicht gelöst. Was am Bodensee mit der Reduzierung der Phosphat-Belastung gelungen sei, stehe im Donauried noch aus.

„Wir laufen gegen eine Wand“

Doch von den Behörden und der Politik fühlt sich der Wasserversorger zunehmend im Stich gelassen. „Wir laufen gegen eine Wand“, heißt es bitter – und das trotz zweier grüner Minister in den betroffenen Ressorts für Landwirtschaft und Umwelt. Hoffnungen setzt die LW einerseits in die von der EU erzwungene Neufassung der Düngeverordnung auf Bundesebene, andererseits in Maßnahmen wie eine obligatorische „Hoftorbilanz“. Dabei wird die Differenz gemessen zwischen den Stickstoffmengen, die über Dünger oder Tierfutter in einen Agrarbetrieb hineingelangen und dem, was den Hof in Form landwirtschaftlicher Produkte wieder verlässt. Der Stickstoffüberschuss, so die Annahme, muss auf dem Acker verblieben sein – die Düngeintensität lasse sich so wirksamer überwachen.

Im November gab es sogar ein Spitzentreffen zum Nitratproblem, mit OB Kuhn, Umweltminister Franz Untersteller und dem Amtschef von Bonde. Ergebnisse stehen indes noch aus. Man habe ein „konkretes Angebot für Maßnahmen vorgeschlagen“, sagt ein Sprecher des Agrarressorts. Die LW habe sich Bedenkzeit erbeten, auf eine Antwort warte man noch.

Ministerium verweist auf Maßnahmen

Generell habe „der Schutz des Trinkwassers zentrale Bedeutung“ für das Ministerium. Die Senkung der Nitratwerte verfolge man „mit hoher Priorität“. Landesweit seien sie seit 1994 im Mittel rückläufig, auch dank einer „konstruktiven Zusammenarbeit“ mit den Landwirten. In Teilen des Schutzgebietes Donauried-Hürbe, sagte der Sprecher, sei die Entwicklung in der Tat „unbefriedigend und verbesserungsbedürftig“. Das betreffende Areal sei daher bereits 2013 zum Problemgebiet nach der Schalvo hochgestuft worden, in dem strengere Auflagen gelten. Ansonsten setze das Land in seinen Förderprogrammen auf freiwillige Maßnahmen, darunter auch eine Hoftorbilanz. Schon in Kürze wolle man „erneut auf die LW zugehen“.

Dort hält man wenig von freiwilligen Maßnahmen – sie hätten schon bisher wenig Erfolg gehabt – und fühlt sich hingehalten: Seit Jahren heiße es, die LW müsse eben Geduld haben, bis die Maßnahmen griffen; doch es bessere sich nichts. Wie angespannt die Atmosphäre inzwischen ist, zeigt auch die Reaktion des Zweckverbands auf die Kritik an seiner Dünge-Warnung vom Herbst. Mit Blick auf das Frühjahr, wo wieder mit „wassergesättigten“ Böden zu rechnen sei, schrieb der Zweckverband mahnend an die betroffenen Landratsämter. Zur Warnung fügte er ein Urteil des Amtsgerichts Bonn bei: Vor einigen Jahren habe es einen Bauern zu 300 Euro Bußgeld verurteilt, weil er im Wasserschutzgebiet gesetzeswidrig Pferdemist ausgebracht hatte – aus Sicht der Wasserversorger ein schönes Exempel.

Der Hinweis könnte freilich wieder als Provokation empfunden werden.