Der Polizeipräsident a. D. Siegfried Stumpf macht im Wasserwerfer-Prozess in Stuttgart von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Nun soll ein Staatsanwalt Stumpfs Rolle im Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im September 2010 klären.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Stuttgart - In Saal 18 des Landgerichts ist es für einen Moment mucksmäuschenstill gewesen, nachdem die Vorsitzende Richterin einem der bekanntesten Zeugen im Wasserwerferprozess gefragt hatte, ob er aussagen werde. Aber Siegfried Stumpf schüttelt den Kopf und sagt: „Nein.“

 

Damit endete der Auftritt des ehemaligen Polizeipräsidenten von Stuttgart am Mittwoch nach drei Minuten und 10 Sekunden. „Das war es dann schon wieder“, sagte die Richterin. Das Gericht verließ der Ex-Polizeichef so, wie er es betreten hatte – auf Umwegen, offenbar um nicht den mehr als 50 S-21-Gegnern begegnen zu müssen.

Der ehemalige Polizeichef machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Denn eine neuerliche Auswertung von Videoaufnahmen des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im Mittleren Schlossgarten wegen des Protests gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hatte erst im vorigen Sommer Hinweise geliefert, dass Stumpf nachmittags im Park war, als sich der Wasserwerfereinsatz zuspitzte. Stumpf stand an der Spitze des Führungs- und Lagezentrums. Und somit trage er möglicherweise eine Mitverantwortung an der Eskalation des Polizeieinsatzes, so die Staatsanwaltschaft. Da der Ex-Polizeichef sich möglicherweise als Zeuge selbst belastet hätte, durfte Stumpf die Aussage verweigern.
Dabei haben alle Prozessbeteiligten auf Angaben des Ex-Polizeichefs gehofft. Denn in dem Verfahren soll auch geklärt werden, ob es stimmt, dass Stumpf am sogenannten Schwarzen Donnerstag angesichts der Menschenmasse, die sich bei der Räumung des Schlossgartens der Polizei in den Weg stellte, Grünes Licht für den Einsatz der Wasserwerfer gegeben hat – aber unter der Bedingung, dass es nur Wasserregen geben sollte, um die Demonstranten auf diese Weise zu vertreiben, so die Staatsanwaltschaft.

Prozessbeteiligte wurden enttäuscht

Diese Einschränkung bestreitet in dem Prozess indes der 48 Jahre alte angeklagte Polizist. Der Einsatzabschnittsleiter soll an die Besatzungen der vier Wasserwerfer keine Beschränkung des Wasserdrucks weitergegeben haben, so die Staatsanwaltschaft. Er und sein 42 Jahre alter Kollege, der ebenfalls angeklagt ist, seien auch nicht eingeschritten, als bei den starken Stößen mindestens neun Demonstranten verletzt worden sind, einige von ihnen schwer.

Nach dem kurzen Auftritt von Stumpf sind in dem Prozess indes Videoaufnahmen der Polizei gezeigt worden, die belegen, wie Stumpf kurz nach 14 Uhr in der Nähe der Wasserwerfer steht und das Geschehen verfolgt – laut Staatsanwaltschaft hätten die Angeklagten spätestens um 13.30 Uhr angesichts der starken Wasserstöße einschreiten müssen. Ein Gutachter bestätigte im Prozess ebenfalls, dass die Landespolizeidienstvorschrift ein solch hartes Vorgehen nur vorsieht, um Straftaten von Gewalttätigen zu verhindern. Und selbst da dürfe nicht auf die Köpfe der Demonstranten gezielt werden. In den Videos ist indes zu erkennen, wie die zahllosen Wasserstöße immer wieder Häupter treffen.

Bald Staatsanwalt im Zeugenstand

Im sogenannten Selbstleseverfahren sollen sich die Prozessbeteiligten nun bis Mittwoch, 22. Oktober, einen Überblick darüber verschaffen, was Stumpf in den beiden Untersuchungsausschüssen gesagt hat, in denen der Schwarze Donnerstag politisch aufgearbeitet werden soll. Dabei hat der Ex-Polizeichef bereits die Verantwortung für den eskalierten Einsatz auf sich genommen. Mehrere hundert Demonstranten waren durch Schlagstöcke, Pfeffersprays und Wasserstöße verletzt worden.

Um die Rolle von Stumpf zu klären, soll am nächsten Prozesstag der Staatsanwalt aussagen, der im Zuge der Ermittlungen den damaligen Polizeipräsidenten befragt hat. Auch der damalige Stellvertreter Stumpfs ist dann als Zeuge geladen.