In dem Verfahren gegen zwei hochrangige Polizeibeamte wegen des Einsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner im Schlossgarten geht es am vierten Tag um den Zeitraum, in dem die Wasserwerfer zum ersten Mal angeworfen wurden.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Minutenweise und Funkspruch für Funkspruch geht die 18. Große Strafkammer mit den Angeklagten das Geschehen des 30. September 2010 durch. Am vierten Tag des Prozesses gegen die beiden Polizeibeamten entsteht das Bild eines Einsatzes, den die dafür Verantwortlichen im Laufe des Tages als einen Kampf wahrgenommen hatten. Den 41 und 48 Jahre alten Polizisten wird wegen des Wasserwerfereinsatzes am „schwarzen Donnerstag“ fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Sie sollen nicht eingeschritten sein, als die Wasserwerfer einen zu starken Strahl auf Stuttgart-21-Gegner richteten, die gegen die geplanten Baumfällungen im Park demonstrierten.

 

Das Geschehen wird minutiös durchgesprochen

Ein Zeitraum von knapp zwei Stunden ist am Mittwoch das Thema in dem Verfahren. Die Kammer ist auch am vierten Tag noch nicht in die Beweisaufnahme eingetreten, noch immer machen die beiden Angeklagten ausführlich Angaben zu den Tatvorwürfen. Dazu zählt auch, dass sie versuchen sollen, sich an den Inhalt zahlreicher Funksprüche zu erinnern – und daran, wann sie die Wasserwerfer wie haben spritzen sehen. Dabei werfen viele Antworten auch neue Fragen auf. Etwa wenn es um die Freigabe der Wasserwerfer, Schlagstöcke und des Pfeffersprays geht. Der 41-jährige Polizeioberrat, der am „schwarzen Donnerstag“ für die Kommunikation mit dem Führungsstab des Polizeipräsidiums zuständig war, berichtet, wie er seine Vorgesetzten anfunkte, als er die Einsatzmittel freigegeben haben wollte. Wer ihm geantwortet habe, der Polizeipräsident Siegfried Stumpf oder dessen Ständiger Vertreter Norbert Walz, könne er nicht mehr sagen. Zentraler Punkt in dem Verfahren ist die Frage, ob der Einsatz des Wasserwefers auf sogenannten Wasserregen beschränkt gewesen war. Das ist die unterste Stufe mit dem geringsten Wasserdruck. Der Regen, so erläutert es der 48-jährige Polizeidirektor, solle die Demonstranten nass machen und damit verscheuchen.

Die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann hält den Angeklagten vor, dass Walz am Telefon gesagt habe, dass Schlagstöcke nur im Einzelfall eingesetzt werden dürften. Und der Wasserwerfer dürfe nur mit Wasserregen spritzen. Der 41-jährige Beamte kann sich an ein Telefongespräch mit dem Vertreter des Präsidenten nicht erinnern, in dem es um Schlagstöcke gegangen sei. Er habe sich bei Walz gemeldet, um mitzuteilen, dass nach der Freigabe die Wasserwerfer eingesetzt wurden. Eine Beschränkung habe es nicht gegeben.

Wasserwerferstaffel fällt selbst Entscheidungen

Der 48-jährige Polizist, dessen Aufgabe es war, die Kräfte im Park zu koordinieren, stellt zudem dar, dass das Einstellen des Strahls im Ermessen der Wasserwerferstaffel liege. An deren Chef – der im Winter einen Strafbefehl für den Einsatz akzeptiert hatte – habe er die Freigabe weitergegeben. Das habe er in Form eines Auftragsbefehls getan: Er gab das Ziel vor, die Blockaden aufzulösen. Klar sei, dass man mit der niedrigsten Stufe beginne.

Aus dem protokollierten Funkverkehr ist herauszulesen, dass der Polizeichef offenbar mit einer Verzögerung vom Einsatz der Wasserwerfer erfuhr. Als er gegen 13.15 Uhr mit einem Kollegen sprach, hörte er, dass diese schon aktiv seien. Dabei wollte Stumpf da erst fragen, ob die Drohung mit Wasserwerfern etwas bringen würde.

Zwischen 13 und 14 Uhr wurde die Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten am „schwarzen Donnerstag“ immer härter. Der Wasserwerfer begann zu spritzen. Der 41-jährige Angeklagte erinnert sich, er habe das Geschehen damals mit den Worten „Es ist ein Kampf um jedes Gitter“ zusammengefasst. Gegen 14 Uhr habe er den Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf angerufen, um ihn zu informieren. Stumpf, so trägt es die Richterin aus den Vernehmungsprotokollen nach dem Einsatz vor, bestreite, mit ihm telefoniert zu haben. Protokolliert sind nur die Funksprüche, nicht die Telefonate. Im Protokoll steht, Stumpf habe gesagt: „Das wird ein harter Einsatz, das wird jetzt rustikal“, als Kollegen ihn über die Lage informierten. Der Polizeipräsident soll gesagt haben, die Polizei mache weiter, so lange sie noch vorwärts komme. Wenn die Einsatzkräfte wegen der Demonstranten stehen bleiben würden, müsse man die Lage neu definieren, wird Siegfried Stumpf zitiert.

Das Verfahren wird am Dienstag, 8. Juli, am Landgericht Stuttgart fortgesetzt.