Die beiden angeklagten Polizisten sagen am Dienstag vor dem Landgericht, sie hätten lange nicht geahnt, dass gegen sie ermittelt wurde. Die Vorgesetzten hätten ihnen keine Fehler vorgeworfen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Zwei Jahre nach dem aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz im Schlossgarten am 30. September 2010 habe er etwas erfahren, was ihn sehr erstaunt habe, sagt der 48-Jährige Angeklagte im Wasserwerferprozess. Demnach habe an jenem Tag, der als „schwarzer Donnerstag“ bekannt ist, gegen 15 Uhr ein Foto des von einem Wasserwerferstrahl schwer verletzten Demonstranten Dietrich Wagner an der Pinnwand in jenem Raum gehangen, in dem der Führungsstab der Polizei die Entscheidungen über das weitere Vorgehen fällte. Das habe er aber erst beim Aktenstudium mitbekommen. Keiner der Vorgesetzten habe ihm während des Einsatzes etwas von durch Wasserwerfer verletzte Personen gesagt, betont der Polizeibeamte am Dienstag vor dem Landgericht.

 

Angeklagte: Niemand berichtete von Verletzungen

Dem 48-Jährigen und seinem 41 Jahre alter Kollegen wirft die Staatsanwaltschaft aber eben wegen der Blessuren durch Wasserwerfer fahrlässige Körperverletzung im Amt vor. Sie sollen zum einen als Einsatzabschnittsleiter die Anordnung, nur mit Wasserregen gegen die Demonstranten vorzugehen, nicht weitergegeben haben. Zum anderen sollen sie nicht eingeschritten sein, als durch den stärkeren Strahl Personen Verletzungen erlitten.

Auch der 41-jährige Angeklagte, der 2010 bereits etliche Polizeieinsätze rund um den Bahnhof geleitet hatte, betont mehrfach, ihm habe man nicht von solchen Verletzungen berichtet. Auf den Vorhalt, er habe im ersten Untersuchungsausschuss des Landtags gesagt, er habe von Verletzungen erfahren, hat er ebenfalls eine Antwort: Er habe sowohl mitbekommen als auch von anderen erfahren, dass Demonstranten durch Reizgas aus Pfeffersprays verletzt worden seien. Diese Art der Verletzung kenne er als Leiter des Reviers Wolframstraße. „In der Klettpassage kommt es fast täglich vor, dass Beamte Pfefferspray einsetzten“, sagt der 41-Jährige. Von Verletzungen, die durch den Wasserwerfer verursacht worden seien, habe er nichts gewusst. Der 41-jährige damalige Revierleiter war derjenige Einsatzabschnittsleiter, der die Aufgabe hatte, mit dem Führungsstab Kontakt zu halten. Die Frage, ob die beiden Angeklagten von den Verletzungen wussten, ist von zentraler Bedeutung in dem Prozess. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet ja, sie hätten dann eingreifen müssen und die Wasserwerfer stoppen.

Stumpf soll gesehen haben, wie Wasserstöße abgegeben wurden

Der Polizeipräsident Siegfried Stumpf habe – zusammen mit dem Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler – den Park besucht, als das Geschehen kurz nach 14 Uhr „am massivsten“ gewesen sei. Zu dieser Zeit hätte der Wasserwerfer Wasserstöße abgegeben, der Polizeichef hätte also eingreifen können, sagten die Angeklagten. Es gibt noch einen Umstand, über den die beiden sich wundern. Es seien offenbar schon Ermittlungen gegen sie gelaufen, aber kein Kollege oder Vorgesetzter habe sie auf ein Fehler angesprochen. „Ich habe im Juni 2011 ins Innenministerium gewechselt“, sagt der 41-Jährige. Dort hätten ihn weder der Landespolizeipräsident Wolf Hamman noch der Inspekteur der Polizei, Dieter Schneider, darauf angesprochen. Auch bei Nachbesprechungen des Einsatzes sei das nicht geschehen, sagt sein 48-jähriger Kollege.