Im Verfahren gegen zwei Polizeibeamte wegen des Wasserwerfereinsatzes am 30. September 2010 kommen immer wieder ähnliche Aussagen von Polizisten: Der Einsatz sei schlecht koordiniert gewesen. Das sagte am Mittwoch auch ein Kommandant eines der Wasserwerfer, der wegen der Geschehnisse bereits vorbestraft ist.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Im Wasserwerferprozess vor dem Landgericht hat am Mittwoch reges Kommen und Gehen geherrscht. Am Nachmittag waren in dem Verfahren mehrere Polizeibeamte geladen, die an dem entgleisten Einsatz zur Räumung des Schlossgartens am 30. September 2010 beteiligt gewesen waren. So sie noch nicht in der Sache belastet waren, also verurteilt sind oder ein Verfahren gegen sich laufen haben, haben sie ein Aussageverweigerungsrecht. Davon machte einer nach dem anderen Gebrauch. Lediglich ein Beamter konnte dieses Recht nicht in Anspruch nehmen: der Kommandant des zweiten von vier an jenem Tag im Park gegen Stuttgart-21-Gegner eingesetzten Wasserwerfern. Er war vom Amtsgericht Stuttgart bereits rechtskräftig wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt verurteilt worden. Der 56-jährige Polizeihauptmeister aus Biberach musste wegen seiner Beteiligung an dem Einsatz, bei dem Demonstranten Verletzungen erlitten hatten, eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zahlen.

 

Bevor die Kammer am 15. Verhandlungstag mit den Befragungen begann, stand noch die Besprechung des Ortstermins im Schlossgarten vor einer Woche auf dem Programm. Dazu gab es nur eine Wortmeldung in Form eines Hinweises der Verteidiger der beiden angeklagten Polizisten. Er sagte, was eigentlich allen bewusst ist: Das Gelände sehe nicht mehr so aus wie während des Einsatzes. Von dem Hügel, auf dem Polizeiführer standen, um die Lage zu überblicken, sei nur noch etwa ein Drittel vorhanden. Mit einer Aussage verärgerte er die S-21-Gegner im Saal: „Der eine oder andere Baum fehlt auch“, so der Anwalt.

Eine der zentralen Fragen an den Beamten war, ob er im Laufe des Einsatzes Verletzte im Schlossgarten gesehen habe. Der Zeuge verneinte dies klar. Auch das ausgedruckte Foto des an beiden Augen schwer verletzten Dietrich Wagner, das im Park gezeigt worden sei, habe er nicht wahrgenommen. „Ich habe erst in der Nacht erfahren, dass es Verletzte gab“, beteuerte der Polizeibeamte. Das habe ihm schwer zu schaffen gemacht. Er sei nach dem Einsatz krank geworden und habe zur Verarbeitung der Ereignisse auch die Hilfe eines Psychiaters in Anspruch genommen.

In den Wochen zuvor viel mit Wasserwerfern geübt

Dem Wasser sei beim Einsatz kein Reizgas zugesetzt worden, sagte der 56-Jährige. Zwar seien die Kanister mit der Substanz im Fahrzeug gewesen. Er habe sie aber am Vorabend verplombt, und nur er habe einen Schlüssel gehabt, mit dem man an die Behälter komme und sie anschließen könne. Es habe also niemand hinter seinem Rücken den Reizstoff beimengen können.

Auch in der Schilderung des 56-Jährigen kam wieder zum Ausdruck, dass es bei dem Einsatz chaotisch zuging. Man habe in den Wochen zuvor viel mit den Wasserwerfer geübt, also geahnt, dass ein Einsatz anstehe. Erst einen Tag vorher sei klar gewesen, dass es nach Stuttgart gehe. Der tatsächliche Einsatz der Wasserwerfer kam dann für alle überraschend. „Es war ja gar nicht vorgesehen, wir sollten die Werfer ja nur zum Schutz hinter der Absperrungslinie aufstellen“, sagt der Polizeibeamte.

Bei einem Kollegen des Kommandanten bedauerten es die Zuhörer im Saal besonders, dass er nichts sagte: Ein Beamter hatte Bedenken gegen den Einsatz geäußert. Weil dieser Einspruch aktenkundig ist, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Ex-Polizeipräsident soll im Oktober aussagen

Das Recht, keine Aussagen zu machen, wird voraussichtlich gemäß der Strafprozessordnung einem prominenten Zeugen zustehen. Für den 15. und 22. Oktober ist der ehemalige Polizeipräsident Siegfried Stumpf geladen, gegen den aufgrund der Erkenntnisse aus dem aktuellen Erfahren ermittelt wird. Prozessbeobachter gehen nicht davon aus, dass er aussagen wird.