Wohin, wenn es pressiert? Öffentliche Toiletten sind Mangelware, auch in Stammheim. Abhilfe schaffen könnte die „Nette Toilette“. Im Bezirk soll baldmöglichst ein Pilotprojekt starten.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stammheim - Wenn man muss, dann pressiert es meistens“, sagt Bezirksvorsteherin Susanne Korge. Und wer in Stammheim muss und eine öffentliche Toilette sucht, der sollte dringend auf sein Timing achten. Denn nur während der regulären Öffnungszeiten der Stadtteilbücherei und des Bezirksrathauses haben diese Einrichtungen ihre Wasserklosetts für Bürgerinnen und Bürger geöffnet. „Leider gibt es in Stammheim kaum andere öffentliche Toiletten“, bedauert Korge.

 

Immerhin ist Abhilfe in Sachen Abortnotstand in Sicht. Nachdem der örtliche Bezirksbeirat einstimmig für die Einführung des Projekts „nette Toilette“ geworben hatte und auch die SPD und SÖS/Linke-plus im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag formulierten, soll in einigen Stadtbezirken das Projekt eingeführt werden – darunter auch in Stammheim. „Wir haben den Auftrag vom Sozialausschuss erhalten, das Vorhaben ‚nette Toilette’ in einigen Stadtbezirken für das kommende Jahr auf die Reihe zu bringen und zu klären, wie viel Geld dafür benötigt wird“, sagt Bürgermeister Werner Wölfle.

Die „nette Toilette“ gibt es mittlerweile in mehr als 200 Städten und Gemeinden in Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Das Konzept sieht vor, dass Gaststätten und andere Einrichtungen ihre Toiletten für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung stellen. Sie schließen einen Vertrag mit der Stadt ab und bekommen von dieser eine Aufwandsentschädigung zwischen 40 bis 100 Euro. Ein entsprechender Aufkleber an der Eingangstür oder am Schaufenster der Restaurants und Geschäfte zeigt, wo die Toiletten zu finden sind. Außerdem werden die teilnehmenden Einrichtungen in einer Handy-Applikation aufgeführt.

Auch der Stadtseniorenrat setzt sich für die Aktion ein

„Viele Stadtteile und Bezirke in Stuttgart fordern weitere kommunal betriebene öffentliche Toiletten. Bisher konnten nur wenige genehmigt und aufgebaut werden, da die Anschaffungskosten und Betriebskosten erheblich sind. Durch die Einführung der ,Netten Toilette‘ könnten Kosten eingespart werden“, heißt es in dem Antrag von SPD und SÖS/Linke-plus. Und weiter steht dort: „Der Stadtseniorenrat (der nicht antragsberechtigt ist) und auch einige Bezirke sind von dem Konzept überzeugt und fordern eine Umsetzung auch in Stuttgart.“

Das gilt auch für Gustav Trauth vom Stammheimer Stadtseniorenrat. „Wir begrüßen es sehr, dass das Projekt in Stammheim startet. Ich höre über die ,nette Toilette‘ nur Positives.“ Vor einigen Jahren hat sich der Stammheimer Seniorenrat unter rund 30 örtlichen Geschäftsleuten und Handwerkern umgehört und sie auf ihre „Seniorenfreundlichkeit“ hin überprüft. „Damals haben wir schon danach gefragt, ob man auch die Toilette benutzen darf, die meisten hatten nichts dagegen, sofern es sich um Kunden handelt.“ Die „nette Toilette“ dürfe jeder nutzen, ob Kunde oder nicht. Wie viele Firmen sich in Stammheim beteiligen werden, muss erst noch geklärt werden. Darum will sich Bezirksvorsteherin Susanne Korge in den kommenden Tagen kümmern. „Die Erfahrungen, die in Stammheim und den anderen Pilotbezirken gemacht werden, sollen im Herbst dieses Jahres dem Gemeinderat vorgelegt werden, damit dieser in den Haushaltsberatungen entscheiden kann, ob das Projekt weitergeführt, beziehungsweise ausgeweitet werden kann.“

Bürgermeister Wölfle sieht noch großen Gesprächsbedarf

Gustav Trauth hält die Einführung des Service für dringend nötig. „Eine Bezirksbeirätin war beim Bäcker und durfte die Toilette nicht benutzen, obwohl sie dort einen Kaffee getrunken hat“, sagt er verärgert. In einem anderen Fall wollte eine ältere Dame aufs Klo im Stammheimer Bezirksrathaus. „Es war leider an einem Mittwochnachmittag außerhalb der Geschäftszeiten – da hat die Frau einfach in die Hosen gepinkelt.“ Nicht jeder wisse, dass man auch die Toiletten im Luise-Schleppe-Haus, dem Mehrgenerationenhaus an der Kornwestheimer Straße, nutzen dürfe, sagt Trauth. Aber das ist mit der Heimleitung abgesprochen. Nun hofft der Stadtseniorenrat, dass das Pilotprojekt bald startet – dann stehen im Idealfall ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, wenn es mal wieder pressiert.

Bevor es aber losgehen kann, müssten noch etliche Gespräche geführt werden, sagt Bürgermeister Wölfle. „Wir wollen mit den Bezirksvorstehern und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sprechen und schauen, wie viel Geld wir für die Gastronomen und anderen Einrichten brauchen, die bei der Aktion mitmachen“, sagt der Bürgermeister. Wölfle rechnet damit, dass es spätestens im kommenden Jahr mit den Pilotbezirken losgeht. „Wenn wir es früher hinbekommen, soll mir das recht sein.“