Mit Valerie Weber soll in Zukunft eine Galionsfigur des Privatradios beim WDR das Sagen haben. Jörg Schönenborn ist als Fernsehdirektor vorgesehen.

Köln - Es ist noch nicht lange her, da tobte beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln eine Art Kulturkampf: Eine Programmreform der Hörfunkwelle WDR 3 rief einen Sturm der Empörung hervor, wie ihn das öffentlich-rechtliche System selten erlebt hatte. Tausende, darunter zahlreiche WDR-Mitarbeiter, unterstützten den Protest der „Radioretter“-Initiative, die die Reform als Verrat am Kulturauftrag des Senders bezeichnete. Die Kritiker wiederum wurden von den Befürwortern der Reform als „Ewiggestrige“ geschmäht, die auch kleinste Veränderungen blockieren wollten.

 

Nach der Umsetzung der Reform vor einem Jahr hat sich die auch intern erregt geführte Debatte gelegt. Doch die Glut für ein neuerliches Aufflammen ist wohl noch vorhanden. Lunte gelegt hat diesmal der neue Intendant selbst: Tom Buhrow hat dem Rundfunkrat vorgeschlagen, Valerie Weber zur neuen Hörfunkdirektorin zu wählen. Genauso gut könnte man auf die Idee kommen, den „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann zum neuen Kulturstaatsminister der Bundesregierung zu berufen.

Buhrow lobt die 47 Jahre alte Weber als „eine der erfolgreichsten Radiofrauen in Deutschland“. Das stimmt wohl, jedenfalls setzt sie als Geschäftsführerin und Programmdirektorin des Privatsenders Antenne Bayern den öffentlich-rechtlichen Wellen des Bayerischen Rundfunks (BR) mit täglich bis zu vier Millionen Hörern kräftig zu. Zuvor war sie bereits Programmdirektorin bei Antenne 1 in Stuttgart. Weber steht seitdem für populäres Formatradio: eine Kombination aus Chart-Musik, Comedy, stets sonnig gelaunten Moderatoren und Telefon-Gewinnspielen, die den Sendern neben der Werbung zusätzliche Einnahmen in die Kasse spülen.

Duftstoffe über Stuttgart

Der Wikipedia-Eintrag zu Valerie Weber erinnert zudem an eine besondere Marketingaktion Webers, an das „Abwerfen von Duftstoffen aus einem Flugzeug über dem Stuttgarter Sendegebiet“. Das passt sehr schön, denn Valerie Weber steht gewissermaßen unter Verdacht, ihr Publikum einnebeln zu wollen. Auch wenn der beitragsfinanzierte WDR in Köln die Parfümierung kaum nötig haben wird, fragt sich die Redakteursvertretung in einem Brief an Buhrow, wie Weber „plötzlich überzeugte Anhängerin des öffentlich-rechtlichen Systems sein und es in diesen schwierigen Zeiten mit Leidenschaft führen und nach außen verteidigen“ könne. Im Sender kursiert eine Unterschriftenliste, für heute wurde eine außerordentliche Redakteursversammlung einberufen. Buhrow ist aktuell damit beschäftigt, seinen Vorschlag intern zu erklären. Öffentlich versprach er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: Valerie Weber „will nicht und wird nicht den WDR-Anspruch verwässern“.

Ihre Wahl zur Nachfolgerin des Hörfunkdirektors Wolfgang Schmitz, der Ende April in den Ruhestand geht, gilt trotz aller Unruhe als sicher. Kaum vorstellbar, dass der Rundfunkrat gleich Buhrows erste wichtige Personalentscheidung kassiert. Würde das Aufsichtsgremium am Freitag den Vorschlag des Intendanten abschmettern, käme das einer Revolution gleich – zumal der Rat Buhrow bei dessen Wahl am 29. Mai mit einer satten Mehrheit und einigen Vorschusslorbeeren ausgestattet hatte.

Eigengewächs und Seiteneinsteigerin

Zugleich soll am Freitag der TV-Chefredakteur Jörg Schönenborn (49) als Nachfolger von Verena Kulenkampff zum Fernsehdirektor befördert werden. Dieser Vorschlag war allseits erwartet worden. Das sich nach und nach an die Spitze emporarbeitende WDR-Eigengewächs Schönenborn und die Seiteneinsteigerin Weber – Buhrow sieht beide „in Kombination als ideale Lösung für unser Programm“. Der neue Intendant beim größten ARD-Sender probiert es mit einer Mischung, die raffiniert klingt, die man aber auch als Unentschlossenheit deuten könnte.

Von den neuen Direktoren wird nicht zuletzt entschlossenes Sparen erwartet. Buhrow hatte beim WDR einen Kassensturz in Auftrag gegeben und angesichts der Zahlen „einen gigantischen strukturellen Abgrund“ erblickt, wie er nach hundert Tagen im Amt erklärte. Nach interner Rechnung gerät der WDR bereits 2015 mit 61,3 Millionen Euro ins Minus, bis 2023 summiert sich der Fehlbetrag auf 1,28 Milliarden, vorausgesetzt, die Preise steigen jährlich um zwei Prozent und die Beitragseinnahmen bleiben gleich. Herumdoktern am Etat funktioniere nicht mehr, so Buhrow, der 2014 einen Umbau des WDR auf den Weg bringen will. Seine wichtigsten Architekten auf der WDR-Baustelle heißen bald Jörg Schönenborn und Valerie Weber.