Laub zusammenzurechen hat was Artistisches. Aber auch was Meditatives, findet unser Korrespondent Mirko Weber, der sich wohl zum letzten Mal in dieser Saison unter den Bäumen im Garten vergnügt.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München – Als wir letzten Samstag beim Frühstück saßen, hat meine Frau – alle anderen schliefen noch – gesagt: „Wir müssen dann aber schon nochmal raus . . .“ Wenn man bei uns drei Punkte am Ende eines Satzes mitspricht, heißt das, dass die Botschaft mit ordentlich Subtext versehen ist, und wenn der Subtext dem Adressaten, vom Sprecher aus gesehen weise einkalkuliert, momentan vielleicht nicht vollkommen in den Kram passen könnte, wird mitunter eine imaginäre Gitarre als Überzeugungsmittel ins Spiel gebracht. Man muss sie gestisch halten, als wäre man Funny van Dannen, mit der Schlaghand durch die Luft schrammeln und singen wie der Sänger vom Niederrhein. Das klappt nicht immer, aber doch erstaunlich oft. Wenn Sie im Übrigen Funny van Dannen nicht kennen, wird es a) höchste Eisenbahn, aber b) ist auch bald Weihnachten, da machen sich Funny-van-Dannen-CDs immer gut, wenn Sie verstehen, was ich meine. Vielleicht fangen Sie mit „Herzscheiße“ an, was rauer klingt, als es dann ist. Na, Sie werden sich wundern.

 

Also sang meine Frau. Aber nicht plump und direkt „Wir müssen dann schon nochmal raus . . .“, weil wir eh immer rausgehen, sondern eher subtil: „Meditative Gartenarbeit . . .“ Gut, es war ein bisschen dunkelgrau vor der Tür, und es hatte, so weit zu sehen war, auch leichter Regen eingesetzt, aber „Meditative Gartenarbeit . . .“, verteilt auf vier Harmonien als Heilsversprechen? Wer hätte widerstehen können?

Wir haben die Wohnung vor Jahren als Mieter nur bekommen, weil wir versprachen, das steile Hangstück inklusive Bäume (lies: Garten, eine Art Anti-Wimbledon) mit zu pflegen. Das hat uns bereits einen von Haus aus sehr robusten englischen Rasenmäher und ein paar Muskelzerrungen gekostet, aber die Zeit des Rasenmähers ist schon lange vorbei. Schöner Titel eigentlich für einen November-Roman: „Die Zeit des Rasenmähers ist vorbei“, auf dem Titel nur Laub, sehr viel Laub, Unmengen von Laub. Tja, wer schreibt ihn?

Wenn man erstmal den Bogen raushat  . . .

Es wurde also, wie schon seit etlichen Wochen, wann es immer ging, gerecht, wobei solche finalen Rechereien wie am Samstag, wenn es gut geht, mitunter etwas fast Artistisches bekommen. Erstmal hat man den Bogen jetzt wieder annähernd richtig raus. Nicht zu tief, nicht zu heftig, nicht zu hastig, nicht zu unlustig vor allem. Der allerbeste Zustand ist erreicht, wenn, wie der Athlet zu sagen pflegt, es läuft. Wie von selbst. Es recht dann.

Viele Menschen haben für das Rechen absolut nichts übrig, und erklären stattdessen das Laubblasen zur Kunst. Es gibt ein paar Filme auf Youtube, anhand derer sich lernen ließe, wie man Blätter richtiggehend onduliert. Zum Beispiel kann man einen Schneezaun verwenden, um Laubberge fantastisch in Form zu bringen. Am Ende aber wartet, so kein dafür vorgesehenes Waldstück mit zu stopfenden Löchern in der Nähe ist, auf unser aller Laubwagenladungen der Wertstoffhof, und ohne den Wertstoffhofbeschäftigten allzu nahe treten zu wollen: es ist mit ihnen, um es mit einem Sommerbild zu sagen, nicht immer gut Kirschen essen. Besser also, wenn man meditative Gartenarbeit hinter sich hat – beziehungsweise ordentliches Rechen.

Die überschaubare, leicht skelettiert wirkende Welt ganz ohne Laub währt allerdings in unseren bayerischen Breiten als Zustand stets nur wenige Tage. Dann schneit es Berge. Wie gestern. Aber das ist eine andere Meditation.