Kurz vor der besinnlichsten Zeit des Jahres geht es wieder los: Weihnachtsfeiern boomen. Warum eigentlich, fragt sich unser Kolumnist.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Unter der Woche rief ein Mann aus einem bayerischen Ministerium an, um mich daran zu erinnern, dass ich bitte an die Weihnachtsfeier denken möge. „Sie wissen schon“, sagte der Mann. „Ja“, sagte ich, „ich weiß“. Die ersten Einladungen für Weihnachtsfeiern von Ministerien (und Firmen) kommen ungefähr von Anfang November an ins Büro. Keine dieser Einladungen ist persönlich zu nehmen. Die Mitarbeiter auf den zuständigen Etagen der jeweiligen Häuser arbeiten auch nur einen Ordner mit den Landtags-Korrespondenten durch. Es versteckt sich also – außer dem Willen zur Weihnachtsfeier – keine spezielle Absicht dahinter. Mehr so ein Wohlfühlangebot.

 

Ich sagte, dass ich wenig bis gar nichts mit seinem Ministerium zu tun hätte, sondern für Politik, Kultur und Sport zuständig sei, und ob er meine Absage nicht bekommen habe. Doch, sagte der Mann, aber schließlich gehe es um die Weihnachtsfeier. . . Seine Stimme hatte jetzt etwas leicht Tadelndes. Dann versuchten wir noch ein bisschen, die Form zu wahren, und das gelang uns schließlich auch.

Unfug, der nur viel Geld kostet

Ausgehend von der einzigen Weihnachtsfeier, die ich in meinen bayerisch-österreichischen Korrespondentenjahren mitgemacht habe, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass dies alles mittlerer Unfug ist, der nur viel Geld kostet, das besser gespendet gehört, und keinem was bringt, der ernsthaft nachdenkt. Besagte Weihnachtsfeier fand statt zu Edmund Stoibers kanzlerambitionierten Hochzeiten. Es war also nicht so, dass man sich sonst nur selten gesehen oder gesprochen hätte. Sobald nun aber die Reste von Ente und Blaukraut abgetragen waren, setzte sich auf einmal ein anderer Stoiber in Szene. Er wurde nämlich scheingemütlich – im Sinne von leutselig. Bitte, Stoiber war Stoiber und blieb Stoiber, er steppte weder neben seinem Stuhl, noch sang er. Trotzdem war es ein wenig seltsam, als würde für Minuten eine Linie überschritten, deren Existenz wesentlich bleibt: ihr da oben, wir da unten, wenn Sie so wollen.

Minima culpa: nachdem ich jahrelang nicht zu ihrer Weihnachtsfeier gekommen war, hat mir eine Münchner Großbrauerei einmal ein Paket mit einem pompösen Maßkrug zugesandt. Den zurückzuschicken war mir zu umständlich und auch zu albern. Stattdessen habe ich den Krug der Tombola unseres Sportvereins gestiftet, wo er dann auch unter großem Hallo (der Gewinner war ein FC-Bayern-Fan) noch an den Richtigen gekommen ist. Wo wir schon bei Fußball und Sponsorenbier sind: Vermutlich ist Franz Beckenbauer einer der wenigen Menschen, die jemals so richtig fürs Leben von einer Weihnachtsfeier profitiert haben. Andererseits: nicht jeder ist Franz Beckenbauer. Gott sei Dank!

Mit einem Vorschlag zur Güte probiert es derzeit der ehemalige Andechser Prior Anselm Bilgri, seit seinem Ordensaustritt vor ein paar Jahren mehr in der theologisch unterfütterten Lebens- und Unternehmensberatung tätig. Bilgri bittet (freilich ein bisschen spät) vor allem Firmen um „Entschleunigung der Vorweihnachtszeit“ und rät von Feiern im Advent ab, beziehungsweise zu deren Verlegung. In Andechs habe man früher Betriebsweihnachten sehr würdig an Mariä Lichtmess gefeiert, also im Februar. Vermutlich ist das aber auch keine gute Idee. Es könnte der nachgeholten Weihnachtsfeier direkt ein Kollektivfasching folgen. Ententanz mit Seehofer? Wirklich nicht.