Verschwörungstheoretiker im Freundes- und Familienkreis können Beziehungen schnell verschlechtern. Auch Diskussionen gestalten sich oft als schwierig. Victoria Schrank hofft, auf dieses Problem eine Lösung gefunden zu haben.

Berlin - Mit Beginn der Corona-Pandemie rückten auch Verschwörungstheoretiker immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Immer mehr Bürger meinten hinter dem Virus, der Maskenpflicht und den Handlungen der Regierung einen geheimen Plan entdeckt zu haben. Kein Wunder also, dass einige Personen auch unter engsten Verwandten und Freunden Menschen kennen, die an diese Verschwörungstheorien glauben. Viele wissen allerdings zunächst nicht, wie sie damit umgehen sollen und wie sie mit diesen Menschen richtig diskutieren.

 

So zunächst auch Victoria Schrank. Die 34-Jährige UX-Designerin stammt ursprünglich aus Russland und lebt seit 2009 in Berlin. Im März sah sie, dass eine eine enge Freundin im Internet immer häufiger von Verschwörungen schrieb. Als sie Schrank auch persönlich von der Gruppe QAnon erzählte war die 34-Jährige überrascht: „Ich wusste gar nicht was ich entgegnen soll und habe dann einfach gar nichts gesagt. Im Nachhinein dachte ich dann, dass das ziemlich dumm war.“ Auch nach dem Gespräch habe sie sich mit weiteren Menschen unterhalten, die ähnliche Ansichten gehabt hätten. Das brachte die UX-Designerin auf eine Idee, die den Namen „Talk To Me“ trägt. Eine Website, die den Besuchern spielerisch Tipps gegen soll, wie man sich in solchen Gesprächen am besten verhält und wie man Verschwörungstheoretiker im Idealfall von ihrem Irrglauben abbringen kann.

Recherche bei der Zielgruppe

Zunächst recherchierte Schrank, wie die Kommunikation verbessert werden könnte. Sie sprach außerdem mit ihrer Zielgruppe, also einigen Menschen, die ähnliche Fälle mit Verwandten und Freunden erlebt hatten. Daraus habe sie einige wichtige Dinge gelernt. „Es geht gar nicht um bessere Argumente, sondern wie man kommuniziert. Man muss besser zuhören und auch auf Probleme der Menschen, also mögliche Ängste oder den Verlust des Jobs, eingehen“, sagt die 34-Jährige.

Deshalb entwickelt sie „Talk To Me“ besonders für Menschen, die in ihrem engsten Umfeld mit Anhängern von Verschwörungstheorien zu tun haben. Mit diesen Personen könne man viel besser und intensiver sprechen, als mit Menschen auf der Straße oder im Internet, meint Schrank. Feedback holte sie sich außerdem von Roland Imhoff, einem Psychologen der Universität Mainz, der auf Verschwörungsmentalität spezialisiert ist. Er ist jetzt als Berater für das Projekt tätig.

Rollenspiel soll Diskussionen simulieren

„Talk To Me“ ist eine kostenlose Website, auf der Besucher direkt in eine Art Rollenspiel geworfen werden. Sie müssen ein Gespräch mit einer vertrauten Person führen, die an Verschwörungen glaubt und erhalten immer zwei Antwortmöglichkeiten, aus denen sie wählen können. „Diese Entscheidung bestimmt, wie sich die Geschichte entwickelt. Nach jeder Situation erhalten die Spieler eine Erklärung, wie ihre Antwort beim Gegner ankommt, welche Auswirkungen sie auf den Rest des Gesprächs haben kann, sowie Tipps, wie sie sich am besten verhalten können“, erklärt Schrank.

Solche Tipps sind zum Beispiel das Fragen nach Problemen, das Fragen, ob man überhaupt diskutieren möchte, oder ob den Gesprächspartner auch die eigene Meinung interessiert. Wichtig sei es dabei stets respektvoll zu bleiben. Ziel des Gesprächs sei es, Zweifel beim Gegenüber zu sähen. Er soll selbst auf die Idee kommen, dass bei seiner Argumentation möglicherweise Denkfehler bestehen. Es sei allerdings nicht realistisch bereits bei der ersten Diskussion eine komplette Meinungsänderung zu bewirken. Oft könne es auch helfen direkt anzusprechen, was man mit dem Gespräch erreichen will. Zum Beispiel sollen Eltern die sich in einer Risikogruppe befinden, aber Maskengegner sind, dazu bewegt werden zunächst nur die Maske zu tragen, anstatt ihre Ansichten komplett zu verändern.

Hoffen auf einen Start vor Weihnachten

Geht es nach Schrank, soll die Website „Talk To Me“ bereits vor Weihnachten mit deutscher und englischer Sprachauswahl online gehen. Um das möglich zu machen, startete sie am 21. Oktober eine Crowdfunding-Kampagne. Bisher wurden von den angestrebten 10.800 Euro, bereits über 6.000 Euro gesammelt (Stand: 30.10.2020). Im August und September wurde sie bereits durch ein Research and Development-Fellowship des MediaLab Bayern unterstützt, wo sie einen Prototypen entwickelte. „Ich hoffe, dass wir die Website so schnell wie möglich launchen können, um so viel Feedback wie möglich zu sammeln und die Website daraufhin noch weiterzuentwickeln“, erklärt Schrank.