Audis Aufsichtsrat soll sich mit seiner Entscheidung schwer getan haben – hat aber letztlich Rupert Stadler beurlaubt. Unter Insidern gilt dessen Karriere im Volkswagen-Konzern als beendet. Vertriebschef Bram Schot übernimmt vorerst die Führung bei Audi.

Stuttgart - Der Aufsichtsrat der VW-Tochter Audi hat den inhaftierten Audi-Chef Rupert Stadler beurlaubt. Auch von seinen Pflichten als Vorstand der Audi-Mutter VW ist der gebürtige Bayer auf eigenen Wunsch entbunden worden. Zum Interimschef des Premiumherstellers wurde der Niederländer Bram Schot bestellt, der erst seit Herbst 2017 Audi-Vertriebschef ist.

 

Zuvor hatten sich die Aufseher von Audi und die des über zwei Tage lang parallel tagenden VW-Aufsichtsrats im Umgang mit der Personalie Stadler schwer getan. Da es völlig offen sei, wie lange der Topmanager in U-Haft bleiben muss, sei die Entscheidung zur Beurlaubung des Managers unumgänglich gewesen, hieß es aus dem Umfeld des Audi-Aufsichtsrats. Stadlers Karriere bei Audi und VW gilt als unwiderruflich beendet, auch wenn das in einer offiziellen Audi-Mitteilung anders klingt. „Die Entbindung wird vorübergehend vorgenommen, bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat“, heißt es dort zur Beurlaubung des bisherigen Audi-Chefs. „Es ist undenkbar, dass Stadler an seinen Schreibtisch zurückkehrt“, stellt dagegen ein Insider aus dem unmittelbaren Umfeld des 55-jährigen Managers klar.

Stadler sitzt in der Justizvollzugsanstalt Augsburg

Stadler sitzt seit Montag wegen Verdunklungsgefahr und Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit Abgasmanipulationen in der Justizvollzugsanstalt Augsburg. Die Justiz hat konkrete Hinweise, dass der 55-jährige entweder Beweismittel verschwinden lassen oder sich mit Zeugen beziehungsweise anderen Beschuldigten absprechen wollte. Die Beurlaubung war eine schwere Geburt. „Sie haben sich nicht einigen können“, sagte ein Insider über das Treffen der Kontrolleure, das am Montag in der Nacht ohne Ergebnis abgebrochen worden war. Nun hat sich aber offenbar im VW-Imperium die Erkenntnis durchgesetzt, dass Stadler nicht mehr zu halten ist. Nicht sofort gekündigt worden ist er dem Vernehmen nach, weil auch für ihn die Unschuldsvermutung gilt und das einen Rauswurf arbeitsrechtlich nicht erlaubt. Würde Stadlers Vorstandsvertrag jetzt einseitig gekündigt, könne das sehr teuer werden, sagt ein Rechtsexperte. Aus Arbeitnehmersicht sei die Beurlaubung Stadlers die richtige Entscheidung, sagt Irene Schulz, die für die IG Metall im Audi-Aufsichtsrat sitzt. Audi müsse handlungsfähig bleiben, betonte Aufsichtsratskollege Peter Mosch. Er ist Audi-Gesamtbetriebsratschef und sitzt parallel auch im VW-Aufsichtsgremium.

Die Inhaftierung Stadlers hat den Konzern kalt erwischt

Interimschef Schot müsse den Autobauer nun wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen, die interne Aufklärung konsequent zum Abschluss bringen und das Tagesgeschäft im Auge behalten. Schot hat den Vorteil, komplett unbelastet von der jüngsten Vergangenheit um manipulierte Dieselmotoren zu sein. Der frühere Daimler-Manager ist erst im September vorigen Jahres als Vertriebschef in den Audi-Vorstand berufen worden. Als Kandidat für eine langfristige Lösung gilt er dennoch nicht. Die Inhaftierung Stadlers hat den Konzern und dessen Aufseher offenbar kalt erwischt, obwohl Staatsanwälte wegen der Verwicklungen von Audi in die VW-Abgasaffäre zuletzt die Daumenschrauben immer mehr angezogen hatten. „Das ist wie ein Unwetter aus heiterem Himmel über uns gekommen“, beschreibt ein Insider die Befindlichkeiten in Ingolstadt und Wolfsburg. Am Dienstag hat Stadler sich mit seinem Anwalt getroffen. Voraussichtlich ab Mittwoch will er gegenüber Staatsanwälten aussagen.

Der Chef der Porsche-Motorenentwicklung legt Haftbeschwerde ein

Zwei andere Manager aus dem VW-Konzern wehren sich unterdessen gegen die Untersuchungshaft. Jörg Kerner, der bei einer großen Razzia im April festgenommene Chef der Motorenentwicklung von Porsche, hat nach Angaben der Stuttgarter Staatsanwaltschaft jetzt Haftbeschwerde eingelegt. Der frühere Porsche-Entwicklungschef Wolfgang Hatz hat bereits im April Beschwerde gegen die U-Haft in München beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Zuvor war er mit Beschwerden beim Landgericht und beim Oberlandesgericht in München gescheitert. Es geht in beiden Fällen um den Verdacht des Betrugs im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasreinigung.