Stuttgart - Am 28. März ist es wieder so weit. In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren um eine Stunde von 2 auf 3 Uhr vorgestellt. Die Sommerzeit beginnt. Dann bleibt es abends wieder länger hell, morgens dafür länger dunkel. Einige finden das toll. Für sie symbolisiert die Zeitumstellung den Beginn der warmen Jahreszeit. Für andere wiederum bedeutet sie Stress, weil sie morgens plötzlich eine Stunde früher zur Arbeit müssen.
Eigentlich sollte laut einem Beschluss des EU-Parlamentes die Zeitumstellung 2021 abgeschafft werden. „Sie hat nie die erwartete Ressourceneinsparung gebracht“, konstatiert Dietrich Henckel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik (DGfZP). Es gäbe sogar Hinweise dafür, dass durch die Umstellung mehr Energie verbraucht wird, weil es morgens kälter ist und mehr geheizt werden muss.
Stattdessen gäbe es eine Menge negativer Auswirkungen. Vor allem auf die Gesundheit. So verzeichne man nach der Umstellung auf die Sommerzeit höhere Infarktraten. Das Leben in der falschen Zeitzone verursache darüber hinaus eine Art langfristigen sozialen Jetlag, der die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Nur jeder Fünfte hält die Zeitumstellung für sinnvoll
Auch der Chronomediziner Horst-Werner Korf fordert eine Abschaffung „der unsäglichen Zeitumstellung“. Diese sei „ein Eingriff ohne Not in unseren Sozialrhythmus, der nur Probleme schafft“. Man müsse sich nur die Krankenkassendaten angucken. Vor allem bei der Umstellung von Winter- auf Sommerzeit fühlten sich die Menschen unwohl und müde und klagten über Kreislauf- und Magen-Darm-Probleme.
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Nur jeder Fünfte hält laut einer aktuellen Umfrage der Krankenkasse DAK Gesundheit die Zeitumstellung noch für sinnvoll. Knapp ein Drittel der Menschen fühlt sich nach der Zeitumstellung beeinträchtigt. Mehr als drei Viertel davon sind schlapp und müde (76 Prozent) an zweiter Stelle der Beschwerden stehen mit 59 Prozent Einschlafprobleme und Schlafstörungen, unter denen Frauen mit 64 Prozent besonders häufig leiden. 37 Prozent können sich nach der Zeitumstellung schlechter konzentrieren, mehr als ein Viertel fühlt sich gereizt. Franziska Kath, Diplom-Psychologin der DAK Gesundheit, erklärt: „Auch psychische Probleme kommen nach der Zeitumstellung häufig vor.“ Jeder Zehnte leidet unter depressiven Verstimmungen. Hierbei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Auch die innere Uhr gerät durcheinander. So kamen insgesamt 15 Prozent der Erwerbstätigen nach der Zeitumstellung schon einmal zu spät zur Arbeit.
In der Sommerzeit verschiebt sich die Mitte des Tages auf 13 Uhr
Auch eine Umfrage auf europäischer Ebene habe gezeigt, dass die Mehrheit der Bürger für eine Abschaffung des Hin und Her sei, erklärt Horst-Werner Korf. Unklar sei noch, welche Zeit die permanente sein wird. Für den Chronomediziner gibt es ein Worst-Case-Szenario: Wenn die Wahl auf die Sommerzeit fiele. Aus chronobiologischer Sicht eine Katastrophe. Der langjährige Präsident der European Biological Rhythms Society steht im Austausch mit Fachleuten aus der ganzen Welt. Unter diesen herrscht Einigkeit, dass die Winterzeit die Normalzeit sein sollte, bei der um 12 Uhr Mittag die Sonne am höchsten steht.
In der Sommerzeit verschiebt sich die Mitte des Tages dagegen auf 13 Uhr. Dieser sogenannte Phasenvorsprung sei schlecht für alle Lebewesen, hätten Experimente gezeigt. Die Mehrheit der befragten Bürger, die sich für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen haben, votierte jedoch für die dauerhafte Sommerzeit, weil sie dann an warmen Tagen lange auf der Terrasse sitzen können. „Dieser Meinung schlossen sich auch prominente Politiker wie die Minister Peter Altmeier (CDU) und Jens Spahn (CDU) an“, klagt Dietrich Henckel. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik (DGfZP) beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Zeit allgemein und glaubt, dass jede politische Entscheidung auch zeitliche Konsequenzen für die Bürger hat. Diese sind häufig nicht leicht als solche zu erkennen. Etwa in der Familien-, Gesundheits- oder Verkehrspolitik.
Wer ungeduldig ist, dem passieren leicht Fehler
Was die Abschaffung der Zeitumstellung betrifft, sei noch Geduld gefordert. Die ursprünglich geplante EU-weite Regelung, soll nun durch eine koordinierte Mitgliedsstaatenregelung ersetzt werden. Ein komplizierter, kontroverser und aufwendiger Prozess. Dietrich Henckel vermutet: „Dass wir noch etliche Jahre mit der Umstellung leben werden.“ Vielleicht hilft dabei ja sein persönlicher Spruch zurzeit: Wer es eilig hat, mache einen Umweg. Wer zu ungeduldig ist, dem passieren leicht Fehler.