Martin Gross wird mit einem überragenden Ergebnis zum neuen Verdi-Landesbezirksleiter gewählt – obwohl er der bei der Gewerkschaft sehr beliebten Leni Breymaier nachfolgt. Die neue SPD-Landesvorsitzende blickt schon gänzlich auf die schwierige Parteiarbeit.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Leinfelden-Echterdingen - Es war abzusehen, dass dies kein leichter Abschied bei Verdi wird: Die neue SPD-Landeschefin Leni Breymaier muss sich nach neuneinhalb Jahren als Landesbezirksleiterin der Gewerkschaft einiges anhören. „Ich bin nicht sicher, ob die SPD dich verdient hat“, sagt die Vorsitzende des ehrenamtlichen Landesvorstands, Gitta Süß-Slania. Die so Gelobte reagiert mit der ihr eigenen Selbstironie: „Verdi braucht mich nimmer – aber die SPD braucht mich dringend.“

 

Doch soll es kein Wechsel in allzu großer Wehmut werden. Eine feierliche Verabschiedung ist ja noch für den 8. Dezember vorgesehen. Zudem wird ihr Nachfolger Martin Gross mit einem Ergebnis ins Amt gewählt, das selbst das bisherige Bestresultat von Leni Breymaier (97,1 Prozent im Jahr 2011) noch übertrifft: 98,6 Prozent, somit nur zwei Nein-Stimmen von 140 Delegierten, sind für Verdi generell rekordverdächtig. Dem Reutlinger schwant bereits: „Ich fürchte, nie mehr ein so gutes Ergebnis erreichen zu können.“

Ein Grund mag die Parteilosigkeit von Gross sein, was die Basis offenbar als größere Unabhängigkeit interpretiert. Das Engagement von Breymaier bei der SPD hat in den vergangenen Jahren nicht jedem Funktionär gefallen – bei Verdi sind die Parteipräferenzen sehr gemischt. Derweil wird ihre gänzliche Hinwendung zur SPD nunmehr weitgehend akzeptiert wird, weil es Verdi inhaltlich voranbringen kann.

Kritik am prominenten Gast Günther Oettinger

Der 56-jährige Gross hat zuvor eine kämpferische Rede abgeliefert. Demnach mag sich der Stil an der Landesbezirksspitze ändern, nicht jedoch der Ehrgeiz, sich einzumischen. So kritisiert Gross die Geheimabsprachen der Landesregierung vehement: „Mauscheln, fehlende Transparenz und Geheimniskrämerei ist ein Politikstil, den wir ablehnen.“ Dies wolle Verdi weder bei Ceta und TTIP noch bei Koalitionsverträgen. „Hochgradig alarmiert“ zeigt er sich von der grün-schwarzen Verabredung, die von Grün-Rot auf den Weg gebrachte Bildungszeit, wie der fünftägige Weiterbildungsurlaub genannt wird, zurückzuschneiden. „Finger weg!“, mahnt Gross.

Zudem kündigt er ein breites „Bündnis gegen Armut in Baden-Württemberg“ an. Als ersten Partner hat Verdi den Sozialverband VdK gewonnen. Fast 100 000 Menschen in Baden-Württemberg lebten in der Grundsicherung. Gemeinsam müsse man darum kämpfen, „massenhafte Armut in einem dermaßen reichen Land“ zu verhindern. Schon im Vorgriff auf den prominenten Gast am Nachmittag, den derzeit ohnehin viel gescholtenen EU-Kommissar Günther Oettinger, greift er dessen Mahnung auf, wonach „wir mit Rentenerhöhungen den Wettbewerb nicht gewinnen“. Gross kontert: „Das ist genau der neoliberale Wind, der uns in alter und eisiger Frische ins Gesicht bläst.“ Altersarmut dürfe kein Wettbewerbsvorteil sein.

Entlastungstarifrunde in den Kliniken

Ferner kündigt der neue Landesbezirksleiter für das nächste Jahr eine „bundesweite, trägerübergreifende Tarifrunde Entlastung“ in den deutschen Krankenhäusern an. Folglich wird es weniger um höhere Gehälter, sondern vor allem um eine angemessene Personalausstattung gehen, wie sie Verdi ja bisher schon vergeblich vom Gesetzgeber fordert. Kein Arbeitgeber solle sich dabei wegducken können. „Pflege ist kein lästiger Kostenfaktor“, so Gross. „Eine gute Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht.“

Als neue Stellvertreterinnen von Martin Gross werden Hanna Binder (76,7 Prozent) und Susanne Wenz (94,8) gewählt. Das Führungstrio amtiert nun bis März 2019.