Gleich bei vier Landtagsfraktionen sind in den vergangenen Monaten die Pressesprecher gegangen. Das mag individuelle Gründe haben, zeigt aber auch die Verunsicherung der Fraktionschefs.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Personalie war dem SPD-Fraktionschef so wichtig, dass er sie persönlich verkündete. Per Pressemitteilung würdigte Andreas Stoch drei Tage nach der Bundestagswahl seinen bisherigen Pressesprecher. Seit fast 25 Jahren begleite Martin Mendler die Landtags-Genossen „durch Höhen und Tiefen“. Mit „großem Einsatz und hoher Kreativität“ habe er ihre Öffentlichkeitsarbeit maßgeblich geprägt und „viele eigene Akzente gesetzt“. Nun aber, so Stoch, habe man sich „angesichts aktueller und zukünftiger Herausforderungen in der Oppositionsarbeit“ für eine „personelle Neuaufstellung“ entschieden: die bisherige Stellvertreterin von Mendler, der auf Beobachter keineswegs amtsmüde wirkte, sei „ab sofort neue Pressesprecherin“.

 

Erst am Vortag hatte sich der Pressesprecher der Grünen-Fraktion, Thomas Hornung, überraschend von den Medienvertretern verabschiedet. Direkte Gründe für sein Ausscheiden nach 13 Monaten nannte der Journalist und Werbeexperte zwar nicht. Seine Rundmail an Redaktionen und Pressestellen aber ließ manches Motiv anklingen. „Sie haben keine leichte Aufgabe“, schrieb Hornung darin, „der rasante Medienwandel und die krassen Veränderungen der politischen Landschaft machen es nicht einfacher“. Dafür brauche man Kraft, gute Nerven und „natürlich immer die richtigen Strategien und die passenden Worte“.

„Erkenntnisreiche“ Zeit als Sprecher

Deutlich knapper hatte sich bereits Ende März der Sprecher der Landtags-CDU abgemeldet. „Nach acht erkenntnisreichen Monaten in der Landespolitik“, schrieb Armin Schulz, werde er in den Journalismus zurückkehren; wie Hornung bedankte er sich für die gute Zusammenarbeit. Anfang Oktober folgte ihnen schließlich der ebenfalls etwa ein Jahr amtierende Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Haas. Aus gesundheitlichen Gründen müsse er sein Arbeitspensum deutlich reduzieren und die Position daher aufgeben. Nur die AfD-Fraktion, bei deren Pressearbeit in der Vergangenheit immer wieder neue Namen aufgetaucht waren, meldet aktuell keine Veränderungen.

Vier von fünf Pressesprechern, bei den Journalisten durchweg geschätzt, hören binnen einen halben Jahres auf – purer Zufall? Neben höchst persönlichen Gründen hat das wohl auch mit der immer anspruchsvoller werdenden Aufgabe zu tun. Die Taktung des Mediengeschäfts hat sich in den letzten Jahren drastisch erhöht, neben den klassischen Kanälen wollen auch soziale Netzwerke bespielt sein; das heißt oft Verfügbarkeit rund um die Uhr. Als Mittler zwischen Politik und Öffentlichkeit müssen die Sprecher einen steten Spagat bewältigen: zwischen Loyalität zu ihren Chefs und einer gewissen Distanz, die ihnen auf der „anderen Seite“ erst Glaubwürdigkeit verschafft. Intern dienen sie dafür oft als Blitzableiter, wenn das öffentliche Bild anders ausfällt als gewünscht. Doch der aktuelle Sprecher-Verschleiß im Landtag dürfte zugleich Ausdruck der Verunsicherung der Fraktionschefs sein. Am wenigsten gilt das für Hans-Ulrich Rülke von der FDP. Mit scharfzüngigen Debattenbeiträgen und prägnant-pointierten Kommentaren, zuweilen ins Klamaukige abgleitend, ist er in der Öffentlichkeit stets präsent. Schwieriger dürfte es für Hans-Ulrich Rülke werden, wenn es in Berlin tatsächlich zu „Jamaika“ kommt; bei den Attacken auf Grüne und CDU müsste er sich dann ziemlich zügeln.

Nur FDP-Mann Rülke mit klarem Profil

Seine drei Kollegen aber – alle erst nach der Wahl 2016 ins Amt gekommen – haben noch kein ähnlich scharfes Profil entwickelt. Andreas Schwarz von den Grünen meidet, stets auf Ausgleich bedacht, jedes markige Wort und wirkt so arg brav. Als „großen Ministranten“ beschrieb ihn neulich ein Spötter. Sein CDU-Pendant Wolfgang Reinhart sucht die Öffentlichkeit tendenziell stärker, schon um seinen Platz im parteiinternen Machtgefüge zu behaupten; manchen erscheint der Politprofi indes zu glatt-geschliffen. Der SPD-Mann Stoch schien lange seinem Amt als Kultusminister nachzutrauern und fand erst allmählich in die Oppositionsrolle hinein. Alle drei haben ihren Ruf zudem nachhaltig selbst beschädigt, als sie zu Jahresbeginn – gegen die Stimmen von FDP und AfD – den Abgeordneten wieder die Rückkehr zur Staatspension ermöglichen wollten. Die eilends durchgepeitschte Reform mussten sie nach einem Sturm der Entrüstung wieder zurücknehmen, mal mehr zerknirscht wie Schwarz, mal weniger wie Reinhart; nun soll eine Kommission das heiße Eisen abkühlen lassen. Das miserable Bild in den Medien, die einhellig die „Selbstbedienung“ anprangerten, wurde intern natürlich auch den Pressesprechern angelastet – selbst jenen, die genau davor gewarnt hatten. Nach außen verteidigten sie den Coup indes pflichtgemäß wacker.

Ruf durch Pensions-Coup selbst beschädigt

Während die SPD mit Heike Wesener bereits eine neue Sprecherin präsentierte, müssen bei den drei anderen Fraktionen erst einmal die Stellvertreter ran; bei der CDU dauert die Vakanz nun bald ein halbes Jahr. Der Fraktionschef Reinhart schuf derweil schon einmal Fakten: seit einiger Zeit begleitet ihn ein ehemaliger ZDF-Mann als „Medienberater“.